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Steckbrief per SMS Entführungsalarm wird reformiert

Das Wichtigste in Kürze:

  • Fälle von entführten und getöteten Kinder haben die Schweiz erschüttert.
  • Sie haben den Druck auf die Behörden erhöht, aktiv zu werden.
  • Seit 2010 gibt es einen nationalen Entführungsalarm. Ausgelöst wurde er noch nie.
  • Nun wird er reformiert.

Die Bevölkerung nach einem Entführungsalarm rasch informieren und schnell Hinweise erhalten, die zur Festnahme des Täters und zur Rettung des Entführten führen. Das ist das Ziel des nationalen Alarmsystems, das eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Schaffhauser Kripochefs Philipp Maier 2010 präsentierte.

Dazu arbeitet der Bund mit Partnern zusammen: SBB, Flughafenbetreiber, Mobilfunkanbieter, SDA, SRG. Diese sollen die entsprechenden Aufrufe im Notfall rasch verbreiten: auf allen Medienkanälen, mit Durchsagen auf Bahnhöfen und Flughäfen, auf Bildschirmen in Verkehrsmitteln und auf Autobahntafeln.

Kaum SMS-Registrierungen

Eine weitere Möglichkeit ist, sein Handy auf einer Internetseite des Bundes ( www.entfuehrungsalarm.ch) registrieren zu lassen. Im Ernstfall wird die Information per SMS übermittelt. Allerdings: Diese Registratur mit persönlichen Angaben und anschliessender SMS-Bestätigung für 20 Rappen kommt reichlich verstaubt und altbacken daher. Die bescheidene Zahl von 60'000 registrierten Handynutzern spricht Bände.

Das streitet auch der für den Entführungsalarm zuständige Philipp Maier nicht ab: «Tatsächlich ist diese Möglichkeit etwas altmodisch heutzutage. Sie wird von uns auch nicht prioritär behandelt.» Viel wichtiger seien die weitverbreiteten Push-Meldungen von Medien-Apps auf Smartphones: «Menschen an Bushaltestellen, die auf ihre Smartphones schauen, entsprechen genau unserer Zielgruppe. Weil sie draussen sind und Dinge beobachten, die wir wissen müssen.»

Noch nie ausgelöst

Der Schweizerische Entführungsalarm wurde noch nie ausgelöst. Zuständig wäre die fallführende Kantonspolizei. Und diese seien schon einige Male sehr nahe daran gewesen, «den Knopf zu drücken», sagt Philipp Maier. Die Arbeit im Hintergrund laufe aber in so einem Fall auf Hochtouren, neue Erkenntnisse könnten den Entscheid beeinflussen. Tatsächlich ist es ein sehr heikler Entscheid, ob man mit einem Alarm die wichtige Zeit gewinnet, um die entführte Person zu finden. Oder ob man damit das Opfer nicht in zusätzliche Gefahr bringt und den Täter zu einer Kurzschlusshandlung treibt.

Alarm wird ausgebaut

Beeinflusst werden die zuständigen Polizisten auch von der Frage, ob ein Alarm verhältnismässig genug ist. Allzu oft gedrückt und zu viele Fehlalarme ausgelöst – das würde die Bevölkerung alarmmüde machen. Kein Thema ist im Moment auch, die Bevölkerung direkt und ungefragt auf ihren Handys zu informieren. So geschah es Mitte Januar in Hawaii, was die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzte. Die drohende Atombombe aus Nordkorea war glücklicherweise ein Fehlalarm.

Zu Beginn wurden die Kriterien für den Entführungsalarm sehr eng gesetzt: Die entführte Person muss demnach minderjährig sein und ernsthaft bedroht. Ausserdem war ein Alarm zunächst nicht vorgesehen, wenn die Polizei davon ausgehen konnte, dass das Kind von einem Elternteil mitgenommen wurde.

Der tragische Entführungsfall der Zwillinge Livia und Alessia 2011 führte zum Umdenken. Der Vater entführte seine Mädchen und warf sich später vor den Zug. Die Zwillinge wurden nie gefunden. Der Fall führte zu politischen Vorstössen. Der Bundesrat versprach zu prüfen, ob der Entführungsalarm auf Erwachsene ausgedehnt werden soll. Noch in diesem Jahr soll der Alarm entsprechend angepasst werden.

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