Fragt man in Bundesbern nach Stefan Brupbacher, wird viel gemunkelt. Hinter vorgehaltener Hand fallen Worte wie «Schlüsselfigur», «Ideologe», «Mann fürs Grobe» und sogar «Bundesrat Brupbacher». Letzteres ist eine Zuspitzung, zeigt aber: Dem Generalsekretär des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung haftet der Nimbus eines erfolgreichen Strippenziehers an.
Einer, der ihn gut kennt, ist FDP-Ständerat Philipp Müller. «Ich teile diese Einschätzung. Wer viel weiss, hat viel Einfluss. Das besagt auch das alte Sprichwort: Wissen ist Macht.» Müller arbeitete als FDP-Parteipräsident eng mit Brupbacher zusammen, der damals Generalsekretär der FDP war.
Er konnte sehr energisch werden. Das hat dem einen oder anderen gewählten Parlamentarier nicht unbedingt Freude bereitet.
Dort trimmte Brupbacher die Partei auf einen einheitlicheren Kurs und schreckte nicht davor zurück, Abweichler auf unzimperliche Art abzukanzeln. «Das war so, er konnte sehr energisch werden. Das hat dem einen oder anderen gewählten Parlamentarier nicht unbedingt Freude bereitet», sagt Müller. «Aber er wusste, dass eine geschlossene Partei, eine geschlossene Fraktion, eminent wichtig ist für den Erfolg.»
Wirtschaftsliberaler Hardliner
Vor vier Jahren berief Johann Schneider-Ammann Brupbacher ins Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Frühere Stationen seiner beruflichen Laufbahn waren der Pharmakonzern Novartis und der Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse. Der gebürtige Basler, der in Zürich wohnt, vertritt eine konsequent wirtschaftsliberale Linie und gilt als Hardliner. Das bringt ihm zuweilen auch parteiintern Kritik ein, etwa von Vertretern der Westschweiz. Er pflegt einen intensiven Austausch mit Economiesuisse und der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse.
Brupbacher gibt keine Interviews. Zahlreiche Personen aus Politik, Verbänden und Verwaltung gaben für diesen Artikel Auskunft, wollten aber nicht namentlich zitiert werden. Einer, der redet, ist CVP-Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter. Er habe den Einfluss des Generalsekretärs direkt am eigenen Leib erfahren, sagt er: «Wir fragten Bundesrat Schneider-Ammann an für ein Gespräch. Das wurde vom Generalsekretär relativ rüde abgelehnt.»
Abmachungen rückgängig gemacht
Der mächtige Kadermann im Wirtschaftsdepartement gilt als ideologischer und konfliktfreudiger als sein Chef, Bundesrat Schneider-Ammann. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dieser ihm grossen Freiraum lässt. Die beiden arbeiten äusserst eng zusammen, sagt ein Mitarbeiter des Departements. Manchmal sage der eine wo es langgehe, manchmal der andere.
Ein hochrangiger Mitarbeiter eines anderen Departements berichtet von Fällen, in denen der Generalsekretär sogar Abmachungen mit Bundesrat Schneider-Ammann rückgängig machte. «Stefan Brupbacher füllt ein Vakuum im Volkswirtschaftsdepartement und hat sehr viele Freiheiten», sagt SVP-Nationalrat Toni Brunner, Mitglied der Wirtschaftskommission. «Was er noch nicht ganz verstanden hat: Er ist nicht mehr Generalsekretär der FDP Schweiz, sondern des Volkswirtschaftsdepartements der Schweiz.»
Was er noch nicht ganz verstanden hat: Er ist nicht mehr Generalsekretär der FDP Schweiz, sondern des Volkswirtschaftsdepartementes der Schweiz.
Die Landwirtschafts-Lobby macht Brupbacher verantwortlich für den härteren Kurs gegenüber den Bauern, den der Bundesrat letzten Herbst eingeschlagen hat: Der Bundesrat publizierte eine Gesamtschau zur Landwirtschaftspolitik, mit der er Zollsenkungen für Agrarprodukte forderte, um Freihandelsverträge zu ermöglichen. Der Bauernverband sieht dies als Affront und leistet seither Frontalopposition.
Keine Gespräche erwünscht
Seit dem Amtsantritt des Generalsekretärs habe ein Strategiewechsel stattgefunden, sagt Bauernverbandspräsident Ritter. Mit der früheren Generalsekretärin Monika Rühl, die zu Economiesuisse wechselte, sei das anders gewesen: «Beim Freihandelsabkommen mit China hatten wir ein relativ gutes Einvernehmen mit dem Departement, gerade auch in der Gestaltung der Details. Es wurde relativ intensiv diskutiert», so Ritter. «Jetzt stellen wir aber bei den laufenden Freihandels-Abkommen fest, bei Mercosur, aber auch bei Malaysia und Indonesien: Es werden kaum oder keine Gespräche gewünscht.»
Stattdessen gäbe es nun runde Tische und Reisen mit vielen Gästen, die wenig bringen würden, kritisiert Ritter. Der Bauernverband boykottiert beides und wartet weiterhin vergeblich auf ein Gespräch mit Schneider-Ammann.
FDP-Motionen mit Brupbachers Handschrift
Nicht nur die Bauern verfolgen das Wirken des mächtigen Generalsekretärs mit Argwohn. SP-Nationalrat und Gewerkschafter Corrado Pardini, Mitglied der Wirtschaftskommission, sieht Brupbachers Rolle weiterhin als Einflüsterer und Stratege der FDP. «Speziell spürt man das bei der Deregulierung des Arbeitsrechtes. Dort tragen die Motionen und Vorstösse schon auch die Handschrift von Herrn Brupbacher.»
Konkret meint Pardini Vorstösse von FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter und FDP-Nationalrat Thierry Burkart, die die tägliche Arbeitszeit erhöhen sowie die Pflicht, die Arbeitszeit zu erfassen, beschränken möchten. Ob diese Vorstösse tatsächlich mit Brupbacher abgesprochen wurden, lässt sich nicht erhärten.
Brupbachers Ziel: Erfolg haben
Gewiss ist aber: Stefan Brupbacher prägt die aktuelle Wirtschaftspolitik der Schweiz massgeblich mit. Sowohl Mitstreiter wie Gegner beschreiben den mächtigen Generalsekretär als Schnelldenker, Schnellschreiber, Schnellredner. Oft trete er arrogant auf, er könne aber auch charmant sein, heisst es.
Jeden Morgen lese er sich durch die Weltpresse, kenne die Dossiers bis ins Detail und arbeite hart, lobt ihn FDP-Ständerat Müller: «Er kennt fast alles. Ich habe nie erlebt, dass er irgendetwas nicht weiss, er liest von morgens bis abends, er ist schnell im Denken und beantwortet alle Fragen sofort.» Befragt zur Motivation dieser Schlüsselfigur in der Bundesverwaltung meint Müller lapidar: Sein Ziel sei es stets, Erfolg zu haben.
Er kennt fast alles. Ich habe nie erlebt, dass er irgendetwas nicht weiss, er liest von morgens bis abends.
Um Erfolg zu haben, sitzt Stefan Brupbacher am richtigen Ort: Als Schattenminister des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung, wo er seinen Einfluss ganz oben geltend machen kann.