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Steigende Fallzahlen Kann sich die Schweiz die Untätigkeit leisten?

Der Bundesrat will derzeit keine neuen Massnahmen. Noch ist die Zahl der Spitaleinweisungen tief. Bloss: wie lange noch?

Worum geht es? Trotz steigender Fallzahlen auch in der Schweiz wird das Corona-Regime hierzulande nicht verschärft. Gesundheitsminister Alain Berset sagte am Donnerstag vor den Medien, derzeit bestehe kein Bedarf für Verschärfungen – und hoffentlich werde das so bleiben. Sicher ist: Die Ansteckungszahlen steigen zwar, doch nicht so explosionsartig, wie das beispielsweise vor einem Jahr der Fall war.

Welches Ziel verfolgt der Bundesrat? «Die Schweizer Politik will vor allem das Gesundheitssystem vor Überlastung schützen», sagt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel. Ziel sei, dass niemand eine schlechtere Behandlung bekomme oder von einem Spital abgewiesen werden muss, weil die Krankenhäuser überfüllt sind. «Es geht also nicht darum, Ansteckungs- oder Fallzahlen möglichst tief zu halten.» Und weil man in der Schweiz noch nicht in der Situation sei, dass die Spitäler zu überlaufen drohen, werde das Infektionsgeschehen nicht stärker gebremst.

Kann sich die Schweiz die Untätigkeit leisten? «Das kann derzeit niemand sagen», so Zöfel. Gegenüber dem letzten Winter habe sich die Situation verändert: «Es gibt mehr Immunität in der Bevölkerung, vor allem unter den Älteren.» Deshalb könne man Infektionen zulassen, ohne dass das Gesundheitssystem unter der Last der schwer Erkrankten zusammenbricht. Noch sei die Zahl der Spitaleintritte vergleichsweise tief, ebenso die Zahl der Verstorbenen. «Das ist der Effekt der Immunität in der Bevölkerung.»

Welche Rolle spielt Delta? Die Delta-Variante des Coronavirus ist zwei- bis dreimal ansteckender als die ursprüngliche Alpha-Variante. «Wir haben diesen Winter also eine andere Situation als im letzten Winter», betont Zöfel.

Wie rasch steigen die Zahlen? Derzeit verdoppelt sich die Zahl der neu Infizierten alle zwei Wochen. Vor einem Jahr verdoppelte sich die Zahl zeitweise alle fünf Tage – also sehr viel schneller. «Derzeit sind wir noch nicht in dieser Dynamik – aber es kann durchaus noch so weit kommen», sagt die Wissenschaftsredaktorin.

Ist die Situation so anders als in Österreich oder Deutschland? Es gibt durchaus Unterschiede im Zuschnitt der Massnahmen und bei den verwendeten Impfstoffen. Aber die Grunddynamik, bestimmt durch die kältere Jahreszeit, die ansteckendere Delta-Variante und die Impfquote, ist doch ähnlich. Es gibt wenig plausible Gründe, warum sich die Situation in der Schweiz nicht in eine ähnliche, ernstere Richtung entwickeln sollte. Österreich und Deutschland sind einfach ein Stück weit voraus.

Wie lautet das vorläufige Fazit? «Wenn man jetzt eine Politik fahren will, die eher langsam unterwegs ist und sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, Panik zu schüren, dann kann man das jetzt noch tun. Doch wie lange das noch gut geht – und ob es überhaupt gut geht – weiss man nicht», sagt Zöfel.

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SRF 4 News, 19.11.2021, 08:40 Uhr ; 

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