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Strapazen vor dem Schlachten Rinder über 20 Stunden im Transporter eingesperrt

Das wichtigste in Kürze

  • Täglich werden in der Schweiz tausende Rinder und Kälber in Schlachthöfe gekarrt. Vieh-Transporte dürfen maximal acht Stunden dauern.
  • Ein Transporteur hat Walliser Rinder bis zu 20 Stunden eingesperrt – offenbar mehrmals.
  • Leichte Überschreitungen der Transportzeiten sind in Randregionen keine Seltenheit. Dies wegen der aufwändigen Sammeltransporten zu den Schlachthöfen im Mittelland.
  • Im Bündnerland soll ein «Pausenstall» das Problem lösen.

Der Fall aus der Westschweiz ist brisant: Rinder aus dem Wallis waren im Februar auf dem Weg zum Schlachthof bis zu 20 Stunden in einem Lastwagen eingesperrt. Ohne Wasser und Futter. Die Camions wurden über Nacht einfach abgestellt. Erst am nächsten Tag brachte sie der Transporteur zum Schlachthof.

Tiertransporte: Unterbruch nach acht Stunden

Das ist illegal. Denn seit zwei Jahren gilt: Dauert ein Nutztier-Transport länger als acht Stunden, müssen die Tiere ausgeladen und eingestallt werden, die Pause muss mindestens zwei Stunden betragen. Ausserdem müssen die Tiere getränkt und gefüttert werden.

Offenbar war diese Praxis beim betreffenden Transportunternehmen kein Ausnahmefall. Die Westschweizer Tierschutzorganisation MART hatte bereits in den Wochen zuvor mehrmals über Nacht abgestellte Tiertransporter gefilmt. Das Veterinäramt Wallis hat mittlerweile Strafanzeige gegen das Transportunternehmen eingereicht.

Rinder in einem Transporter.
Legende: Eng eingepfercht müssen die Tiere stundenlang ausharren. SRF

Randregionen: Aufwändige Sammeltransporte

Der betreffende Transporteur, André Schwitzguebel, gibt die langen Transporte gegenüber dem Westschweizer Fernsehen zu. Er rechtfertigt das Vorgehen: «Das ist wegen der langen Distanzen, da kann man nicht schneller sein.» Als Transporteur sei man da in der Zwickmühle zwischen den Öffnungszeiten der Schlachthöfe und der Geografie des Wallis. «Das ist nicht einfach», so der Unternehmer.

Rinder- und Kälbertransporte in Randregionen finden in aller Regel als Sammeltransporte statt. Das heisst, ein Transporteur fährt mehrere Viehzüchter an, bis der Camion voll ist. Das ist zeitaufwändig.

Da halte sich nicht jeder Transporteur an die acht Stunden, sagt Anne-Kathrin Witschi vom Kontrolldienst des Schweizer Tierschutzes STS. «Es ist tatsächlich eine Herausforderung. Viele Transporteure lösen es, indem sie die Tiere dazwischen einstallen und so die Zeiten einhalten. Und dann gibt es halt einzelne Fälle wie der im Wallis, wo die Tiere über Nacht im Transportfahrzeug belassen werden.»

Schlechtwetter oder Stau verlängern Transporte

Dass die zulässigen Transportzeiten in Randregionen nicht immer eingehalten werden, bestätigt auch der Bündner Kantonstierarzt Rolf Hanimann. «Weil es auf diesen langen Transportrouten immer wieder Zwischenfälle geben kann wie Schlechtwetter oder Stau, welche die Transporte verzögern.» Derart krasse Fälle wie der im Wallis seien im Bündnerland nicht bekannt. Doch Überschreitungen von wenigen Stunden seien keine Seltenheit. Die Situation sei sowohl für die Behörden wie auch die Transportunternehmen unbefriedigend.

Lange Transportwege auch wegen Fleisch-Labeln

Doch warum überhaupt diese langen Transportwege? Das liege an den fehlenden Schlachtkapazitäten in den Regionen, erklärt Peter Bosshard, Geschäftsführer des Schweizer Viehhändler-Verbandes. Ausserdem gebe es gerade in den Berggebieten einen hohen Anteil an Label-Produktionen. «Wenn ein Bauer nach Label produziert, gibt es Produktions-Richtlinien. Und diese sagen auch, wer der Abnehmer ist. Ergo sagt auch der Abnehmer, wo geschlachtet wird.» Deshalb würden Rinder aus dem Engadin beispielsweise nach Oensingen im Kanton Solothrun, nach St. Gallen, Basel oder gar ins waadtländische Estavayer gefahren und dort geschlachtet.

Schweizerkarte mit Schlachthöfen eingezeichnet.
Legende: Die 25 grössten Betriebe schlachten gegen 90 Prozent der Schweizer Rinder. Sie liegen fast alle im Mittelland. SRF

Chauffeur notiert die Transportzeiten selber

Dass die Transportzeiten eingehalten werden, beruht auf dem System Vertrauen. Und ist auch nicht leicht zu kontrollieren. Denn die Chauffeure notieren die Verladezeiten auf den Vieh-Begleitdokumenten selber. «Es ist eine Dokumentation auf einem Stück Papier. Es ist relativ schwierig nachzuprüfen, ob das plausibel ist», sagt Anne-Kathrin Witschi vom Kontrolldienst des Schweizer Tierschutzes.

250 Transport-Kontrollen pro Jahr macht der STS im Auftrag von verschiedenen Labels wie Coop Naturafarm oder IP-Suisse. Angesichts der enorm vielen Tiertransporte eine kleine Zahl. Dazu kommen Stichproben von Veterinärämtern und Polizei. Gesamtschweizerische Zahlen, wie oft es zu Beanstandungen wegen den Transportzeiten kommt, existieren nicht.

Firmengebäude.
Legende: Für Abnehmer wie Bell ist es kaum möglich, Übertretungen festzustellen. SRF

Schlachthof-Kontrollen: Betrug schwer nachweisbar

So hat man auch im Schlachthof von Bell in Oensingen, wo ein Teil der Walliser Rinder angeliefert wurde, die viel zu langen Transportzeiten nicht bemerkt. Obwohl dies wahrscheinlich mehrmals vorgekommen ist. «Bis die Tiere hier sind, spielen im Ablauf verschiedene Akteure mit. Vom Landwirt, über einen oder mehrere Chauffeure. Und wenn alle ihre Angaben, die korrekt sein sollten, eben ‹optimieren›, für uns das Ganze aber trotzdem plausibel ausschaut und die Tiere normal aussehen, dann merken wir das nicht», sagt Marco Jäggi, leitender Amtstierarzt am Schlachthof Oensingen. Mit anderen Worten: Wenn jemand gut betrügt, fliegt das kaum auf.

Pausenstall Cazis: «Jetzt gibt’s keine Entschuldigung mehr»

Zusammen mit der Branche hoffen die Behörden in Graubünden nun, eine Lösung gefunden zu haben: Den «Zwischenstall» in Cazis. Für einen Franken pro Tier und Stunde können Transporteure in den Stallungen der Bündner Arena – auch kurzfristig – Rinder und Kälber unterbringen. Dies, falls der Transport sonst zu lange dauert. «Mit diesem Angebot kann kein Transporteur mehr die Entschuldigung vorbringen, es habe Stau oder Schlechtwetter gehabt», sagt Kantonsveterinär Rolf Hanimann. «Jeder kann seine Transporte nun so planen, dass diese innerhalb der Legalität stattfinden.»

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