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Strassenfonds Verkehrsfinanzierung: Wer soll künftig mehr «gemolken» werden?

Nach dem Nein zur Milchkuh-Initiative haben Gewinner und Verlierer den Mahnfinger erhoben: Das Parlament müsse nun beim Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) tragfähige Entscheide treffen. Einschätzungen von Walter Wobmann (SVP) und Regula Rytz (Grüne) vor der Nationalratsdebatte.

Unter den wachsamen Augen der Strassenlobby nimmt heute der Nationalrat die Vorlage zum Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) in Angriff. Noch unter dem Eindruck der später gescheiterten Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» hatte der Ständerat im Frühling den Bundesbeitrag erhöht und die Beteiligung der Autofahrer reduziert.

Vier Fragen an Walter Wobmann und Regula Rytz, Mitglieder der nationalrätlichen Verkehrskommission.

2013 hat das Volk den Netzbeschluss abgelehnt, hauptsächlich wegen der Erhöhung des Vignettenpreises von 40 auf 100 Franken. Ist die motorisierte Bevölkerung heute bereit, mehr fürs Benzin zu zahlen?

Walter Wobmann.
Legende: Walter Wobmann (SVP/SO). Keystone

Walter Wobmann : Das Volk hat nicht den Netzbeschluss abgelehnt, sondern die übermässige Erhöhung des Vignettenpreises. Jetzt geht es um die Schaffung eines Strassenfinanzierungsfonds, analog zu FABI bei der Bahn. Nach Ablehnung der Milchkuh-Initiative braucht es nun andere Finanzierungen des NAF.

Regula Rytz : Wir können den Unterhaltsbedarf der Strassen nicht aus der Bundeskasse finanzieren. Es drohen in den nächsten Jahren Milliardendefizite. Eine Mitfinanzierung durch die Autofahrer ist nötig, auch aus Gründen der Gleichbehandlung mit dem ÖV. Mit der FABI-Vorlage wurde beschlossen, dass die ÖV-Nutzer über die Trassenpreise einen Teil des Ausbaus mitfinanzieren müssen. Das geht immer mehr ins Geld. Die ÖV-Tickets sind zwischen 2010 bis 2016 um 15 Prozent teurer geworden, im Dezember kommt nochmals ein Teuerungsschub von 3 Prozent dazu. Es ist falsch, die Schere zwischen ÖV und Strasse immer grösser zu machen, denn der ÖV entlastet die Strasse. Wenn Herr Wobmann seine Leute überzeugt, so wie wir unsere Leute bei FABI überzeugt haben, bringen wir 6 Rappen Erhöhung durch. Da Autos immer weniger verbrauchen, ist das im Portemonnaie kaum spürbar.

400 Strassenkilometer gehen in die Verantwortung des Bundes über. Was garantiert, dass die Gelder dort landen, wo sie gebraucht werden und nicht das Taktieren der Kantone die Verteilung bestimmt?

Walter Wobmann : Es geht bei diesen 400 km vor allem um den Unterhalt. Dazu besteht ein entsprechender Verteilschlüssel.

Regula Rytz.
Legende: Regula Rytz (Grüne/BE) Keystone

Regula Rytz : Tatsächlich spielen kurzfristige Kantonsinteressen eine zu grosse Rolle. Die übergeordneten Fragen nach der zukünftigen Menge und der Organisation des Verkehrssystems bleiben auf der Strecke. Ich habe deshalb einen Rückweisungsantrag gestellt und verlange, dass man die Ausgestaltung des Fonds und die Finanzplanung an neue Mobilitättrends anpasst. Heute kann man dank intelligenter Technik Verkehr immer mehr vermeiden und Verkehrsmittel effizienter nutzen. Der geplante Ausbau der Infrastruktur ist deshalb überflüssig und kostet viel zuviel. Anstatt mit neuen Strassen kann man Staus nur mit einem intelligenten Verkehrsmanagement vermeiden.

Mit dem NAF soll der Strassenverkehr langfristig auf eine sichere Finanzierungsgrundlage gestellt werden. Lässt sich angesichts des rasanten Wandels in der Mobilität eine seriöse Rechnung überhaupt aufstellen?

Walter Wobmann : Fakt ist, dass das heutige Strassennetz am Anschlag und teilweise auch überlastet ist. 23‘000 Staustunden im letzten Jahr beweisen das deutlich. Die Strasseninfrastruktur muss darum dringend angepasst werden, auch wenn es einmal selbstfahrende Autos geben sollte.

Regula Rytz : Nein, eben gerade nicht. Deshalb ist es falsch, den Strassenverkehr mit rund einer Milliarde Franken pro Jahr zusätzlich zu unterstützen, wie das der Ständerat will. Mit meinem Antrag will ich auf ein vernünftiges Mass zurückkommen und nur zusätzliche 350 Millionen aus der Bundeskasse für die Kantonsstrassen und deren Unterhalt zur Verfügung zu stellen. Sonst fehlt das Geld für andere Staatsaufgaben wie etwa Schulen und Spitäler.

Das wuchtige Nein zur Milchkuh-Initiative legt nahe, dass dem Stimmvolk ein gesunder Staatshaushalt wichtiger ist als möglichst kostengünstige Mobilität auf der Strasse. Was könnte das für den NAF bedeuten?

Walter Wobmann : Der NAF würde die Bundeskasse viel weniger belasten. Es würden einfach etwas mehr Verkehrsabgabengelder zweckgebunden für die Strasse eingesetzt.

Regula Rytz : Wenn Herr Wobmann aus seiner Niederlage nicht lernt, droht ein Absturz des NAF. Das wäre schade, denn der neue Strassenfonds hat auch gute Elemente. So werden etwa die sehr wichtigen Agglomerationsprogramme weitergeführt. Das heisst, dass der Bund die Städte und Agglomerationen von Lugano über Chur bis Genf bei der Bewältigung ihrer Verkehrsaufgaben weiter unterstützen kann. So wie der NAF heute aussieht, können wir das aber leider nicht tun. Wir hoffen auf Vernunft.

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