Eine Kochnische, ein Bad, Zugang zu einer Waschküche: Die Wohnung von Hans Mäder im Alterssitz Neuhaus bei Münsingen im Kanton Bern ist klein. Doch hier fühlt sich der 91-jährige Hans Mäder wohl. «Vögeliwohl», sagt er, der jahrzehntelang als Chauffeur und Mechaniker geschuftet hatte.
Mäder wohnte seit fast zwei Jahren in einem Studio im Alterssitz Neuhaus Aaretal. Dort kriegt er Mahlzeiten, es wird geputzt, Leute helfen ihm bei Behördengängen. Obwohl er dort selbstständig lebt, stufte die Ausgleichskasse seine Wohnung plötzlich als «Wohngemeinschaft», als WG, ein.
Es fühlt sich an, als ob wir Alte jetzt einfach sterben sollten.
Dies hätte eine massive Kürzung seiner Ergänzungsleistungen bedeutet. Ein Grossteil des Mietzinses von 1200 Franken hätte er selbst bezahlen müssen. «Es fühlt sich an, als ob wir Alte jetzt einfach sterben sollten», sagte Mäder damals verzweifelt.
Begründung: Seine Wohnung sei keine eigentliche Wohnung oder ein Studio, sondern eine sogenannte «Cluster-Wohnung», also eine Art WG – darum gebe es weniger Geld.
Monatelange Ungewissheit belastet Betroffene schwer
Für den heute 91-Jährigen und seine Familie begann eine Zeit grosser Unsicherheit. «Ich habe nächtelang nicht geschlafen und immer überlegt, was ich machen soll», erinnert sich Mäder. Seine Tochter ergänzt: «Es war eine extrem belastende Zeit für die ganze Familie. Wir hatten sogar Angst, dass er sich etwas antun könnte.» Seine Familie muss fortan einen Teil der Miete berappen – und zieht gegen die WG-Einstufung der Ausgleichskasse vor Gericht.
Nach fast einem Jahr hat das Verwaltungsgericht nun zugunsten von Mäder entschieden. Das Studio sei mit der Küche und dem Bad eine Wohnung und keine WG. «Ich bin fast vom Himmel gefallen, als ich das gehört habe», sagt der Rentner erleichtert. Er kann in seiner Wohnung bleiben und erhält weiterhin die vollen Ergänzungsleistungen.
Mäder ist nicht der einzige der Bewohnerinnen und Bewohner, der sich gegen den WG-Entscheid der Ausgleichskasse wehrte. Auch die 69-jährige Renate Böser gelangte ans Verwaltungsgericht. Sie wartete – obwohl die Sachlage identisch war – deutlich länger auf den Entscheid. «Das ist nicht nachvollziehbar», sagt ihr Sohn.
Kritik an überbordender Bürokratie
Auch Daniel Schmied, Geschäftsleiter des Alterssitzes, kritisiert die lange Verfahrensdauer bei dieser Sachlage: «Es ist viel Beamtentum und Bürokratie für etwas, das eigentlich klar war.» Gerade für ältere Menschen und ihre Angehörigen sei der «Formularkrieg» oft eine Überforderung.
Es ist viel Beamtentum und Bürokratie für etwas, das eigentlich klar war.
Das Verwaltungsgericht will sich auf Anfrage von SRF zu den einzelnen Fällen nicht äussern. Aber: Die Fälle in diesem Bereich würden, wie vom Bund verlangt, im «einfachen und raschen Verfahren» durchgeführt. Die Dossiers werden jeweils in der Reihenfolge ihres Eingangs auf die einzelnen Richterinnen und Richter verteilt.
Die Dauer der Bearbeitung könne voneinander abweichen – je nach aktueller Arbeitsbelastung. Die Ausgleichskasse will sich auf Anfrage von SRF nicht mehr äussern.
Für die Rentnerinnen und Rentner im Heim gibt es also eine Art Happy End. «Wir hätten nie gedacht, dass es so ein 'Gstürm' gibt», so Heimleiter Daniel Schmied. Man habe die Wohnungen vor nicht allzu langer Zeit extra in Absprache mit dem Kanton in der Art bauen lassen. «Der Entschied gibt uns nun Sicherheit für die Zukunft.»
Der Bewohner Hans Mäder versucht, sich nicht mehr aufzuregen. Er will die Zeit in seiner Wohnung im Alterssitz geniessen – solange er noch kann.