Zum Inhalt springen

Streit mit EU «Druck und Gegendruck ist wenig hilfreich»

Die Schweiz soll ihre Interessen dezidiert vertreten, sagt Europarechtsexpertin Astrid Epiney. Ein Kräftemessen mit Brüssel wird sie aber verlieren.

Die EU sagt: Wenn es keine Fortschritte beim institutionellen Rahmenabkommen mit der Schweiz gebe, dann gebe es halt nur die befristete Anerkennung der Schweizer Börsenregulierung.

Für Bundespräsidentin Doris Leuthard ist es «sachfremd und inakzeptabel», diesen Zusammenhang herzustellen. Es bestünden «Zweifel an der Rechtmässigkeit». Der Bundesrat kündigte an, nun seinerseits die zugesagte Kohäsionsmilliarde für die Hilfe an Ost- und Südeuropa zu überprüfen.

Astrid Epiney

Box aufklappen Box zuklappen
Portraitfoto von Astrid Epiney
Legende: zvg

Astrid Epiney (*1965) ist ordentliche Professorin für Völkerrecht, Europarecht und schweizerisches öffentliches Recht an der Universität Freiburg. Seit 1995 ist sie dort zudem Direktorin des Instituts für Europarecht. Ab 2015 ist sie für vier Jahre als Rektorin der Universität Freiburg gewählt.

Für Astrid Epiney, Professorin für Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht an der Universität Fribourg, ist es nicht ratsam, auf Konfronationskurs mit Brüssel zu gehen.

SRF News: Lässt sich die EU von der Drohung des Bundesrats beeindrucken?

Astrid Epiney: Ich bezweifle das. Das Rahmenabkommen bedeutet der EU viel. Sie wird sich aufgrund dieser Drohung wohl eher nicht von ihren Plänen abhalten lassen. Aber auch für die Schweiz wäre ein solches Abkommen wichtig. Man wird schauen müssen, wie die Gespräche weiterverlaufen.

Wäre es überhaupt ein veritables Druckmittel, die Kohäsionsmilliarde zu streichen?

Auch das bezweifle ich. Es ist wenig hilfreich, wenn sich nun Druck und Gegendruck aufschaukeln. Ich glaube nicht, dass das zu einer konstruktiven Lösung führen wird – gerade auch für die Schweiz.

Die Entscheidung der EU war rechtmässig. Nicht sonderlich freundlich, aber rechtmässig.

War es nicht trotzdem wichtig, dass der Bundesrat markiert hat, dass er den EU-Entscheid zur Börsenregulierung nicht einfach schlucken will?

Selbstverständlich ist es wichtig, dass man in den politischen Gesprächen mit den Partnern seine Interessen dezidiert vertritt. Die Frage ist aber: Wie kommen wir jetzt weiter? Man muss versuchen, zu einer Einigung zu kommen, statt gegenseitigen Druck aufzubauen. Dies gilt insbesondere für die Schweiz als kleines Land. Wir sind letztlich gegenüber der EU nicht fähig, grossen Druck aufzubauen.

Innenpolitisch will der Bundesrat aber natürlich ein Signal setzen.

Selbstverständlich. Insofern ist es sicherlich wichtig, das gut nachvollziehbare Unverständnis zum Ausdruck zu bringen. Tatsächlich war die Reaktion aus Brüssel in dieser Form sehr überraschend und auch nicht konstruktiv.

Bundespräsidentin Leuthard hat gestern Zweifel an der Rechtmässigkeit des EU-Entscheids geäussert. Hat die Schweiz überhaupt etwas in der Hand, um sich zu wehren?

Meines Erachtens nicht. Die Entscheidung der EU war rechtmässig. Nicht sonderlich freundlich, aber rechtmässig. Im internationalen Verkehr ist es üblich, gegebenenfalls mit solch unfreundlichen Aktionen zu operieren. Im Völkerrecht gibt es kein Recht darauf, gleich behandelt zu werden wie alle anderen. Es sei denn, es bestehen ausdrückliche Verträge, wie etwa im WTO-Recht, selbstverständlich auch in der Beziehung Schweiz-EU, sofern es bereits Verträge gibt. Bei der Anerkennung der Schweizer Börsenregulierung gibt es aber kein Recht der Schweiz, gleich behandelt zu werden wie andere Staaten, die diese Gleichwertigkeitsregelung bereits erhalten haben.

Die Schweiz hat ebenfalls ein Interesse am institutionellen Rahmenabkommen, wie auch immer es dann ausgestaltet sein wird.

Es kommt nun einmal vor, dass die EU auch in solchen technischen Dingen versucht, Druck aufzubauen. Das hatten wir schon einmal mit den technischen Handelshemmnissen. Dort hat die EU die Anpassung eines bestehenden Vertrags verweigert. Auch hier gab es keinen Rechtsbruch. Letztlich war es der Versuch seitens der EU, Gespräche voranzubringen, bei denen es in Teilen ebenfalls um das institutionelle Rahmenabkommen ging.

Die Schweiz ist nicht im Recht und Drohungen bringen auch nichts. Wie soll sie denn weiter vorgehen in der Börsen-Frage?

Es wäre hilfreich, erneut Gespräche aufzunehmen. Die EU hat bereits seit 2008 artikuliert, dass sie ein grosses Interesse am institutionellen Rahmenabkommen hat. Die Schweiz hat ebenfalls ein Interesse an dem Abkommen, wie auch immer es dann ausgestaltet sein wird. Die Beispiele mit der Börsenanerkennung und den technischen Handelshemmnissen zeigen, dass es eine gute Sache ist, wenn man rechtliche Rahmenbedingungen hat, an die sich beide Partner halten können.

Das Gespräch führte Linda von Burg.

Worum geht es beim institutionellen Rahmenabkommen?

Seit 2014 verhandeln Bern und Brüssel offiziell über ein Rahmenabkommen. Dieses soll klären, wie die Schweiz ihre Gesetzgebung an die sich wandelnden Normen der EU anpasst und wie bei Auslegungsstreitigkeiten zu verfahren ist. Ein grosser Knackpunkt ist, wie verbindlich die Urteile des Europäischen Gerichtshofs sein sollen. Zwar sollen sich die EU und die Schweiz letztlich in einem sogenannten Gemischten Ausschuss einigen, Entscheide der EU-Richter sollen für diesen aber verbindlich sein. Das gilt innenpolitisch als chancenlos.

Meistgelesene Artikel