Zum Inhalt springen

Streit um Glocken Nachtruhe gilt auch für Kuhglocken

Ein Aargauer Bauer muss seinen Kühen ab 22 Uhr die Glocken ausziehen. Der Entscheid des Kantons könnte Kreise ziehen.

Berikon im Aargauer Bezirk Bremgarten: Erhöht gelegen neben dem Mutschellenpass, direkt an der Grenze zum Kanton Zürich. Die ländliche Gemeinde ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Heute wohnen knapp 5000 Einwohnerinnen und Einwohner in Berikon, viele arbeiten im Nachbarkanton.

Wo der Wunsch nach Erholung daheim und die Landwirtschaft aufeinandertreffen, entstehen bekanntlich oft Spannungen. In Berikon zeigt sich dies beim Thema Kuhglocken. Die Kühe von Bauer Walter Brechbühl sind zeitweise 24 Stunden auf der Wiese. Und die Kühe tragen Glocken. «Das ist einfach Tradition. Das haben wir bereits vor 50 Jahren oder noch länger so gemacht», so Brechbühl.

Kuhglocken vs. Gartenparty

Das Gebimmel der Glocken ist in den Ohren von Markus Hüsser und anderen Anwohnern aber unerträglicher Lärm. Hüsser wohnt in einem Einfamilienhaus an der Kuhweide. In der Nacht durchschlafen sei nicht möglich, in den Ferien habe er «von daheim fliehen» müssen, um Ruhe zu haben. Er findet es nicht richtig, dass die Kuhglocken laut Beriker Polizeireglement rund um die Uhr bimmeln dürfen, eine Gartenparty aber um 22 Uhr beendet sein muss.

Anwohner Markus Hüsser wollte darum die Ausnahme für Kuhglocken aus dem Reglement streichen lassen. Seine Beschwerde hat der Gemeinderat aber abgewiesen. In der Gemeinde gab es Petitionen für und gegen das Läuten der Kuhglocken.

Um 22 Uhr ist Glockenschluss

Nach der Ablehnung durch die Gemeinde gelangte Hüsser mit seiner Beschwerde an den Kanton. Das zuständige Aargauer Departement hat nun entschieden: Ausnahmen für Kuhglocken im Polizeireglement seien falsch. Auch hier gelte von 22 Uhr bis 7 Uhr Nachtruhe. Der Kanton beruft sich dabei auf Bundesrecht, wonach Nachtruhe für alle Menschen garantiert ist. Das berichtet der «Wohler Anzeiger».

Der Entscheid liegt auch SRF vor. Es heisst darin unter anderem: «Aus unserer Sicht liegen keine überwiegenden, öffentlichen Interessen vor und es ist wahrhaftig nicht notwendig, dass die Tiere aus Sicherheitsgründen Glocken tragen müssen (keine Gefahr für Entlaufen der Tiere).»

Der Entscheid des Kantons gilt im Prinzip nur für eine bestimmte Weide. Für Gemeindeammann Stefan Bossard ist aber klar, dass das Polizeireglement angepasst werden muss. Die Nachtruhe gelte für alle Kuhweiden, welche sich in der Nähe von Wohngebieten befinden.

Auswirkungen auf andere Gemeinden

Der Entscheid des Kantons ist rechtskräftig. Die Gemeinde Berikon akzeptiert ihn und auch Bauer Brechbühl will sich nicht dagegen wehren. «Ich gebe mich geschlagen. Was solls. Ich lasse die Kühe Tag und Nacht ohne Glocken draussen.»

Gemeindeammann Bossard ist der Meinung, dass der Entscheid des Kantons über die Gemeindegrenzen von Berikon hinaus Auswirkungen haben wird. «Ich kann mir vorstellen, dass dies andere Gemeinden in ähnlicher Form übernehmen.» Also dass weitere Aargauer Gemeinden die Ausnahme für Kuhglocken streichen.

Auch beim Bauernverband Aargau nimmt man den Entscheid zur Kenntnis. Geschäftsführer Ralf Bucher meint dazu: «Ich glaube, man darf nicht stur an etwas festhalten.» Wenn eine Weide ganz nahe am Wohngebiet liege und sich die Anwohnerinnen und Anwohner wegen des Lärms beschwerten, dann würde er als Bauer die Kühe in der Nacht wohl ohne Glocken grasen lassen.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 22.06.2021, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel