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Streit um Kunstsammlung Kunstmuseum Bern kann Gurlitt-Erbe antreten

  • Das Kunstmuseum Bern kann das Gurlitt-Erbe antreten.
  • Das Oberlandesgericht in München hält den 2014 verstorbenen deutschen Kunstsammler Cornelius Gurlitt für testierfähig , wie es entschied.
  • Der Kunsthändlerssohn hatte das Berner Museum überraschend als Alleinerbe eingesetzt und seine mutmasslich millionenschwere, aber wohl mit Raubkunstverdacht behaftete Kunstsammlung der Institution vermacht .
  • Eine Cousine des Verstorbenen war damit nicht einverstanden und hatte die Testierfähigkeit Gurlitts angefochten . Zudem erhob sie selbst Anspruch auf die Sammlung. Doch bereits in erster Gerichtsinstanz drang die Cousine nicht durch. Nun bestätigt das Oberlandesgericht München das erstinstanzliche Urteil.

Das Münchner Oberlandesgericht war in seiner Urteilsbegründung nicht davon überzeugt, dass Gurlitt bei der Errichtung seines Testaments an einem Wahn oder einer mittelschweren Demenz litt. Dies legte ein Gutachten nahe, welches die Cousine Gurlitts in Auftrag gegeben hatte. Dieser Sachverhalt hätte die Testierfähigkeit aufgehoben.

Gericht folgte Gutachten der Cousine nicht

Das Gericht stützte seine Entscheidung vielmehr auf ein Gutachten eines anderen Sachverständigen. Dieser hatte neben Briefen Gurlitts auch Zugriff auf ärztliche Unterlagen des verstorbenen Kunsthändlersohnes. Weil das Münchner Gericht auch den Weg an den Deutschen Bundesgerichtshof nicht geöffnet hat, ist der Entscheid rechtskräftig.

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Nichtsdestotrotz bedeutet dies noch nicht, dass die Erbangelegenheit zwingend beendet ist, wie das Oberlandesgericht München betonte: Vielmehr habe das Ergebnis eines Erbscheinverfahrens, wie es von der Gurlitt-Cousine angestrebt wurde, keine Bindungswirkung in einem möglichen strittigen Zivilprozess.

Bilder vor den Nazis retten

Marcel Brülhart, Vizepräsident der Dachstiftung von Kunstmuseum Bern und Zentrum Paul Klee, nahm den Entscheid «mit Freude und auch Erleichterung zur Kenntnis». Durch das Vermächtnis seien dem Museum bislang Kosten von rund 1,5 Millionen Franken entstanden, erklärte Brülhart.

Bedauern hingegen bei Uta Werner, der Cousine Gurlitts. Das Gericht habe «das wahre Ausmass der Verwirrung» ihres Cousins nicht erkannt. Gurlitt sei in der Vorstellung gefangen gewesen, er müsse seine Bilder vor den Nazis retten, schreibt die Cousine in einer Mitteilung, die von ihrem Sprecher verbreitet wurde.

Überraschender Fund

2014 ist Gurlitt im Alter von 81 Jahren verstorben. Daraufhin wurden in dessen Schwabinger Wohnung und seinem Salzburger Haus über 1500 Kunstwerke gefunden. Der spektakuläre Kunstfund hatte im Jahre 2013 denn auch weltweit für Aufsehen gesorgt und eine hitzige Debatte über den Umgang mit von den Nationalsozialisten geraubten Kunstwerken in Deutschland entfacht.

Damals wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft bereits 2012 rund 1280 Kunstwerke in Gurlitts Münchner Wohnung beschlagnahmt hatte. Zwei Jahre später tauchten weitere 238 Gemälde in seinem verwahrlosten Haus in Salzburg auf.

Beinahe 100 Werke als Raubkunst identifiziert

Fast 100 Bilder aus der umstrittenen Gurlitt-Sammlung haben Experten des Projektes «Provenienzrecherche Gurlitt» mittlerweile mehr oder weniger sicher als Raubkunst identifiziert – darunter Kunst von Henri de Toulouse-Lautrec, Max Liebermann, Edvard Munch und eine Rembrandt-Grafik.

Das Expertenteam hatte demnach in einem halben Jahr über 500 Werke aus der Sammlung untersucht – und in 91 Fällen einen Raubkunst-Verdacht erhärtet. Zuvor hatte die Taskforce «Schwabinger Kunstfund» binnen eines Jahres 11 Fälle lückenlos geklärt; bei 5 Werken hatte sie eindeutig NS-Unrecht nachgewiesen.

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