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Studie Arbeitsbedingungen Arbeit in der Schweiz ist belastender geworden

Das Wichtigste in Kürze

  • Arbeitskräfte in der Schweiz können flexibler und selbstbestimmter arbeiten als ihre Kollegen in der EU. Das geht aus der 6. Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hervor.
  • Allerdings steigen die Belastungen am Arbeitsplatz: Gegenüber 2005 haben Schmerzen durch stets gleiche Bewegungen im zweistelligen Prozentbereich zugenommen.
  • Fast neun von zehn Erwerbstätigen in der Schweiz fühlen sich jedoch gesund. Damit liegt die Schweiz rund zehn Prozentpunkte über dem europäischen Durchschnitt.

Die Zahl der Menschen, die im Büro sitzen und am Computer arbeiten, steigt. Für Boris Zürcher vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist dies eine mögliche Erklärung dafür, dass die Beschäftigten zunehmend über körperliche Schmerzen klagen: «Jede und jeder, der stundenlang mit einem Computer arbeitet, weiss, wie anstrengend es sein kann.» Das komme in der Erhebung klar zum Ausdruck.

Die körperliche Belastung nimmt tendenziell aber auch zu, weil es immer mehr Personal im Gesundheitssektor braucht, vermutet Zürcher. In der Spital- und Alterspflege zum Beispiel gehört es zum Alltag, Hand anzulegen und schwer zu tragen – etwa um Patienten umzubetten. Dass heute weniger Personen in der Landwirtschaft oder in der Fabrik Schwerarbeit leisten als früher, heisst also nicht, dass die Leute deshalb Arbeit verrichten, die ihrer Gesundheit weniger schadet.

Einseitig bestimmte Flexibilität

Europaweite Umfrage

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Die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen untersucht seit 1990 alle fünf Jahre die Arbeitsbedingungen der Erwerbsbevölkerung in der EU und in einigen weiteren europäischen Staaten. Für die nun veröffentlichte Studie wurden in der gesamten Schweiz im Jahr 2015 rund 1000 Beschäftigte befragt.

Zu denken gibt auch eine andere Entwicklung der vergangenen zehn Jahre: Offenbar fordern Schweizer Arbeitgeber von ihren Angestellten zunehmend, zeitlich flexibel verfügbar zu sein. Das kann zum Beispiel heissen, kurzfristig länger im Büro bleiben zu müssen, weil es gerade besonders viel zu tun gibt. Das Problem dabei: Diese Form der Flexibilität nützt primär den Arbeitgebern.

Maggie Graf vom Seco hat den Bericht zu den Arbeitsbedingungen mitverfasst. Sie findet diese Entwicklung nicht gut: «Wenn man fragt, wer die Flexibilität bestimmt, sind es leider eher die Firmen, nicht die Arbeitnehmenden selber.» Kein Wunder, sind Gewerkschaftsvertreter beunruhigt. Der Zeitdruck bei der Arbeit sei ohnedies hoch, kritisieren sie. Zusätzlicher Stress entstehe, wenn das Personal weniger mitbestimmen könne, wann es wie viel arbeite.

Auswirkungen auf das Privatleben

«Von der Arbeitsflexibilität profitieren vor allem die Unternehmen in der Schweiz, nicht die Arbeitnehmenden», sagt TravailSuisse-Präsident Adrian Wüthrich. Der Rückgang der Zeitautonomie wirke sich klar negativ aus – und zwar nicht nur am Arbeitsplatz: «Das hat Konsequenzen neben der Arbeit, für die Familie, Musik und Sport. Miliztätigkeiten werden so eingeschränkt und fast nicht mehr planbar.»

Die Kombination aus fehlender zeitlicher Selbstbestimmung und hohem Zeitdruck ist ausserdem schlecht für die Gesundheit. Auch das schreibt das Seco in der Medienmitteilung zur neuen Studie. Dass sich die Schweiz damit von einem vergleichsweise hohen Niveau – 2005 belegte sie den Spitzenplatz – nach unten an den europäischen Durchschnitt angleicht, ist dabei ein schwacher Trost.

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