Eine Korporation – das Wort klingt wie aus der Zeit gefallen. Gerade in städtischen Gebieten wissen heute nur noch die Wenigsten, dass es Koporationen gibt und wozu sie gut sind. Das liege in erster Linie am wirtschaftlichen Wandel, den die Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat, sagt Rahel Wunderli, Historikerin an der Universität Bern: «Die Land- und Forstwirtschaft ist in der Öffentlichkeit nicht mehr so präsent wie früher, darum werden auch Korporationen vielfach nicht mehr wahrgenommen.»
Doch die Korporationen sind immer noch da, in praktisch allen Kantonen – und nicht selten sind sie mächtige Institutionen.
Dies zeigen Historikerin Wunderli und ihre Mitautorinnen und Mitautoren im Buch «Balancing the Commons in Switzerland» auf. Sie haben dafür Korporationen aus den Kantonen Uri, Graubünden, Obwalden, Wallis und Tessin genauer unter die Lupe genommen.
Korporationen besitzen riesige Landflächen
Korporationen gehören zu den grössten Landeigentümerinnen der Schweiz. Imposant ist etwa die Korporation Uri: Mit einem Grundbesitz von 754 Quadratkilometern gehören ihr rund 70 Prozent der Urner Grundfläche.
Und: Sie war früh anpassungsfähig genug, um nicht nur die Nutzung von Wald und Weiden zu organisieren, sondern mit den korporationseigenen Bächen und Flüssen auch in die Wasserkraft einzusteigen – was sich zu einem einträglichen Geschäft entwickelt hat.
Nachhaltige Nutzung auf die Fahne geschrieben
Kurt Schuler, Präsident der Korporation Uri, hält es zwar für übertrieben, seiner Institution eine grosse Macht zuzuschreiben. Die Korporation sei eine Einrichtung wie jede andere auch, sagt er. Statt das Schul- oder das Sozialwesen organisiere sie einfach die Nutzung, die Pflege und den Unterhalt der Wälder und Weiden.
Aber für ihn ist klar: Korporationen sind alles andere als aus der Zeit gefallen. Sie werden gar an Bedeutung gewinnen, ist er überzeugt: «Korporationen verwalten natürliche Ressourcen, wie eben Wälder – und es ist ein gesellschaftliches Bedürfnis, dass diese Ressourcen nachhaltig genutzt werden», sagt er.
Das gelte ebenfalls für das Wasser und die Energie, die daraus gewonnen werde. «Korporationen garantieren, dass nicht plötzlich eine Einzelperson oder eine Firma kommt und der Allgemeinheit Gemeingüter streitig macht», so Schuler.
Korporationen verhindern, dass plötzlich eine Firma der Allgemeinheit Gemeingüter streitig macht.
Trotzdem: Historikerin Rahel Wunderli, die mehrere Korporationen in der Schweiz untersucht hat, sieht Herausforderungen auf diese ur-schweizerische Organisationsform zukommen.
Politische Stellung ist umstritten
«Wer soviel Land besitzt, hat definitiv Einfluss, wenn er in Gesprächen gegenüber Gemeinden oder dem Kanton auftritt», sagt sie. Allerdings sei die politische Stellung der Korporationen nicht ganz klar, so Wunderli. «Es ist heute immer weniger akzeptiert, dass jemand mitbestimmen kann, was mit einem Stück Land geschieht, nur weil er oder sie per Geburt Bürger oder Bürgerin einer Kooperation wurde – und jemand ohne richtige Verwandtschaft kann halt nicht mitreden.»
Dennoch betrachtet Rahel Wunderli die Korporationen als spannendes «Laboratorium der Nachhaltigkeit». Sie sässen auf Ressourcen, die je nach Zeitalter unterschiedlich gefragt seien, und müssten dabei eine Balance schaffen: «Sie müssen einerseits die Nachfrage befriedigen können – und dass andererseits dafür schauen, dass Gemeinschaft, der diese Ressourcen gehören, nicht im Streit auseinanderbricht.»