Das ehemalige Schulhaus von Mühleberg ist ein kantiger Betonbau aus den 1970er-Jahren. Am Eingang wachsen rote und rosarote Geranien in Plastiktöpfen. Das Gebäude sei ideal für die Unterkunft, sagt die Leiterin Viktoriia Hofer. «Wir haben viel Platz hier; einen Garten, eine Turnhalle – das ist optimal.»
Im Gebäude putzen an diesem Oktobermorgen die Bewohner die zahlreichen Gänge. Jetzt am Vormittag stehe Putzen auf dem Programm, erklärt Leiterin Viktoriia Hofer. Tatsächlich riecht es nach Putzmittel, überall fegen und wischen die Bewohnenden.
Viktoriia Hofer kommt aus der Ukraine und leitet für das Schweizerische Rote Kreuz die Unterkunft seit gut einem Jahr. Nicht nur das Gebäude passt, die Asylunterkunft sei gut im Dorf verankert; viele Freiwillige aus der Gemeinde würden helfen – mit Sprachkursen zum Beispiel. «Wir haben keine Mühe, Freiwillige zu finden. Die Leute wollen helfen, das spüren wir.»
Eine der Bewohnerinnen in der Unterkunft kommt aus Kamerun. Es sei schön hier – nur manchmal grüssen die Leute aus dem Dorf auf der Strasse sie nicht, sagt sie auf Englisch. «Das ist schon etwas speziell. Aber die haben wohl ihre Gründe.» So wie die junge Frau aus Kamerun leben derzeit rund 80 Personen hier, darunter fünf Familien mit Kindern.
2016 entschied die Gemeinde zusammen mit den Kantonsbehörden, dass Asylsuchende ins leerstehende Schulhaus einziehen. An einer Informationsveranstaltung stellten viele anwesende Personen Fragen; sie hatten insbesondere Sicherheitsbedenken.
Nach der Informationsveranstaltung rechnete Gemeindepräsident René Maire mit vielen Reklamationen aus der Bevölkerung – die dann aber überraschend ausblieben. «Unsere Gemeinde ist sehr weitläufig und dünn besiedelt», erklärt Maire heute. «Man kann sich gut aus dem Weg gehen.»
Und die kritischen Stimmen, welche sich vor Angriffen oder vor Diebstählen fürchteten – sind diese Stimmen einfach verstummt? Machen die Leute die Faust im Sack? Gemeindepräsident René Maire verneint: «Viele nehmen die neuen Bewohner gar nicht mehr wahr.»
Bevölkerung konnte nicht mitreden
Einer, der die Unterkunft nicht im Dorf wollte, ist Marc Müller. Er sitzt auf seiner Terrasse vor einem umgebauten Bauernhaus. Er sieht direkt auf die Unterkunft, hinter dem Haus weiden Kühe. Ihm passte nicht, dass die Bevölkerung damals nicht mitreden konnte. «Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Das störte.»
Doch er gebe zu: Der Betrieb laufe heute problemlos. Manchmal sei es etwas laut, bemerkt seine Partnerin. «Dann melden wir das dem Leitungsteam», sagt sie und ergänzt, dass sich die Lärmsituation in letzter Zeit gebessert habe.
Ihr Nachbar Daniel Rüfenacht kommt gerade von der Arbeit nach Hause. Er lebt seit seiner Kindheit hier. Seiner Meinung nach habe bei vielen in Mühleberg ein Umdenken stattgefunden. Viele waren zuerst gegen die Unterkunft: «Die Leute hier haben den Asylsuchenden eine Chance gegeben und gemerkt, dass sie ganz anständig sind.»
Das ehemalige Schulhaus in Mühleberg mit seinen Bewohnerinnen und Bewohnern aus der ganzen Welt – es scheint nach sieben Jahren ein Stück weit zur ländlichen Gemeinde zu gehören.