Auf Social Media oder auf Plakaten: Täglich werden wir mit gutaussehenden Menschen konfrontiert. Der Druck, dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen, nimmt stetig zu. So etwa zeigte eine Studie des Beauty-Unternehmens Dove, dass zwei von fünf Frauen bereit wären, für ein ideales Aussehen Lebensjahre aufzugeben.
Auch bei Männern wird der Drang zur Perfektion grösser. Bereits vor zehn Jahren kam die Gesundheitsförderung Schweiz in einer Studie zum Ergebnis, dass 77 Prozent der männlichen Jugendlichen gerne mehr Muskeln hätten. Dies kann zu Sportsucht führen. Es ist aber auch Nährboden für den Gebrauch von Anabolika.
Viele haben Mühe, Anabolika abzusetzen
Schätzungsweise 200'000 Menschen in der Schweiz konsumieren Anabolika. Und dies, obwohl die Einnahme von Anabolika mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Auf diese Entwicklung hat das Zentrum für Suchtmedizin Arud in Zürich im Sommer 2023 mit einer Sprechstunde reagiert.
Eine Analyse des ersten Halbjahrs von Juni bis Dezember zeigt nun: Die medizinische Betreuung von Anabolika-Konsumenten ist nötig. 34 Patienten, ausschliesslich Männer, wurden in diesem Zeitraum begleitet und es zeigten sich bei fast allen gesundheitliche Probleme – kardiovaskuläre Probleme, hormonelle und psychische Probleme.
«Es zeigt sich zudem, dass viele Konsumenten Mühe haben, Anabolika wieder abzusetzen», sagt Raphael Magnolini. Er ist Assistenzarzt beim Zentrum für Suchtmedizin und betreut Anabolika-Konsumenten. Rund die Hälfte entscheide sich für eine Entwöhnungstherapie, die etwa vier bis sechs Monate in Anspruch nimmt.
Die Suchtexperten gingen zudem der Frage nach, ob eine medizinische Betreuung von Anabolika-Konsumenten in Hausarztpraxen machbar wäre? Fazit: Eine Umsetzung sei machbar, so Magnolini.
Die weite Verbreitung von Anabolika weise darauf hin, «dass Hausärzte bald vermehrt mit dieser Problematik konfrontiert werden und sich damit auseinandersetzen müssen», sagt Magnolini. Dies bedeute: Körperliche und psychische Abklärungen.
Magnolini sieht aber Gründe, warum das Angebot in Hausarztpraxen kaum existiert. Denn die Erfahrungen mit diesem Problem sind begrenzt, der Umgang damit noch unklar. Um also eine Betreuung auch in Hausarztpraxen zu gewährleisten, so Magnolini, müssten zuerst die rechtlichen Grundlagen angepasst werden.
Sprechstunde geht weiter
Um den Resultaten der Studie Rechnung zu tragen, hat das Zentrum für Suchtmedizin die Anabolika-Sprechstunde weitergeführt und ausgebaut. «Es gibt in der Schweiz kaum solche Angebote», sagt Magnolini. Und mit Blick auf die vermutlich gar steigenden Konsumentenzahlen brauche es solche Beratungs- und Behandlungsangebote.
Das Bedürfnis nach Betreuung zeigen auch die neusten Zahlen. Mittlerweile haben über hundert Menschen vor allem aus dem Raum Zürich die Arud-Sprechstunde besucht oder sind immer noch in Behandlung – immer mehr auch Frauen. Laut Magnolini braucht es jedoch auch neue Behandlungsempfehlungen, um Patientinnen und Patienten besser zu helfen. Die Studie des Suchtzentrums dürften hierbei allenfalls erste Erkentnisse liefern.