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Tatorte und Obduktionen «Man muss Menschen lieben, um Gerichtsmedizinerin zu werden»

Eva Scheurer beschäftigt sich täglich mit Leichen: Am Autopsietisch, an Tatorten oder im Labor versucht die Direktorin des Basler Instituts für Rechtsmedizin herauszufinden, woran jemand gestorben ist oder wie sich ein Verbrechen abspielte.

Das Institut gibt es seit 100 Jahren. Anlässlich des Jubiläums blickt Eva Scheurer in die Geschichte ihres Faches und erzählt, weshalb die Zeichnerin der «Heidi»-Kinderbücher wichtig war für die Professionalisierung der Rechtsmedizin.

Eva Scheurer

Direktorin Institut für Rechtsmedizin Basel

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Eva Scheurer leitet das Institut für Rechtsmedizin (IRM) seit 2014. In dieser Zeit hat sie das IRM der Universität Basel von einer nicht-wissenschaftlichen Einrichtung zu einem Zentrum für hochstehende Forschung entwickelt.

SRF: Das Institut für Rechtsmedizin (IRM) wird 100 Jahre alt. Was bedeutet das Jubiläum?

Eva Scheurer: Es ist ein guter Anlass, um auf die Geschichte des IRM zurückzublicken und aus dieser zu lernen. Da sehen wir, welche Faktoren prägend waren, um die Rechtsmedizin zu professionalisieren. Sehr wichtig war, eigene Räume zu bekommen.

Das IRM zieht um. Was bringt das für neue Möglichkeiten?

Wir können neue Methoden entwickeln. So zum Beispiel in der Toxikologie, der Genetik und vor allem bei der Bildgebung. Wir bekommen beispielsweise ein Magnetresonanzgerät. Dieses nutzen wir nicht nur für Tote, sondern auch für Menschen, die einen Würgeangriff überleben. Wir können damit sehen, ob es innere Verletzungen gab. Manchmal behaupten Täter, sie hätten nicht gewürgt, sondern nur die Hand an den Hals gehalten. Im Gerichtssaal steht dann Aussage gegen Aussage. Mit dem neuen Gerät können wir in Zukunft besser sehen, ob es eine Gewalteinwirkung gab.

Die Gerichtsmedizin kennen viele Leute aus dem Fernsehen. Läuft ihre Arbeit so ab wie in Serien?

Nein (lacht). Wir arbeiten jeweils an vielen Fällen parallel. Das wäre für TV-Zuschauende nicht so spannend. Ich finde meine Arbeit aber sehr spannend. Zudem ermitteln wir nicht wie die Polizei. Bei uns gibt es eine klare Trennung der Aufgaben.

Basel war in der Geschichte der Rechtsmedizin wichtig. Dabei taucht immer wieder der Name des Stadtarztes Felix Platter auf. Was war sein Verdienst?

Felix Platter beschrieb im 16. Jahrhundert Obduktionen detailliert. Er tat dies nicht nur bei Krankheiten, sondern auch bei Straftaten. Damit legte er den Grundstein für die Rechtsmedizin.

Wichtig war anfangs des 20. Jahrhunderts auch der Pathologe Salomon Schönberg. Wenn sie von ihm erzählen, glänzen Ihre Augen.

Ja, Schönberg war Gerichtsarzt und lehrte an der Universität. Er forderte, dass die Rechtsmedizin ein Vollamt wird und eigene Räume bekommt. Damit war er erfolgreich. Neben eigenen Räumen bekam er auch zwei Angestellte. Seine technische Assistentin und Sekretärin waren besonders wichtig.

Warum zeigen Sie Zeichnungen aus dem Kinderbuch «Heidi», wenn Sie über sie reden?

Diese Frau war Martha Pfannenschmid. Sie hatte einen guten Blick auf die Körper von Verstorbenen und Kranken und fertigte sehr genaue Zeichnungen an. So dokumentierte sie Veränderungen. Diese Bilder wurden für die Lehre benutzt. Damit legte sie den Grundpfeiler für die Lehre, die am IRM heute noch zentral ist. Martha Pfannenschmid kennt man aber nicht als IRM-Mitarbeiterin, sondern als Illustratorin von Kinderbüchern. Sie zeichnete die Bilder in den «Heidi»-Büchern, die viele kennen.

Die Heidi-Illustratorin legte den Grundpfeiler für die Lehre, die am IRM heute noch zentral ist.

Als Rechtsmedizinerin besteht ihr Alltag oft aus Schauergeschichten. Welche Persönlichkeit muss man haben, um Ihren Job zu machen?

Man muss Menschen lieben. Man muss ein Verständnis für verschiedene Seiten im Menschen entwickeln. Und man muss akzeptieren, dass es Abgründe in uns selber gibt. Die kann man nicht negieren, nur weil sie nicht schön sind.

Das Gespräch führte Claudia Kenan.

Regionaljournal Basel, 5.9.2025, 17:30 Uhr ; 

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