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Telefonnummer 145 Spritzen, Waschmittel, Tabletten: Erfahrungen mit dem Giftnotruf

Beim Verdacht auf Vergiftung bietet Tox Info Suisse unter der Nummer 145 telefonische Hilfe an. Im Februar wurde bekannt, dass ihr wegen finanzieller Schwierigkeiten das Aus droht. Zehntausende Personen haben daraufhin eine Petition zur Rettung unterzeichnet. Zwei Betroffene berichten, wie die Hotline ihnen half und warum sie die Petition unterzeichnet haben.

SRF News: Wann haben Sie den Giftnotruf konsultiert?

Jana Schmitt: Als Praxisassistentin in einer Kinderarztpraxis habe ich in der Vergangenheit immer wieder bei Verdachtsmomenten auf die Anlaufstelle zurückgegriffen. Jüngst etwa, als eine Mutter zu uns in die Praxis kam, nachdem ihr Kind Handwaschmittel geschluckt hatte. Ich dachte mir, dass es wohl unproblematisch sein dürfte, entschied mich aber dennoch für einen Anruf bei der Hotline. Dort beruhigte man mich. Das Mittel sei nicht weiter gesundheitsschädlich – im schlimmsten Fall würde es Übelkeit auslösen.

Komplexe Finanzierung: Schuldzuweisungen auf beiden Seiten

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Menschen arbeiten an Computern in einem Büro.
Legende: KEYSTONE/Martin Ruetschi

Rund 42'000 Personen haben im vergangenen Jahr den Giftnotruf konsultiert, der von der Stiftung Tox Info Suisse mit Sitz in der Stadt Zürich betrieben wird. Rund 1.1 Millionen Franken fehlen dieser laut eigenen Angaben, um den Betrieb für das kommende Jahr aufrecht zu halten. Die Stiftung wird durch Beiträge der öffentlichen Hand und der drei Träger Pharmasuisse, Scienceindustries und Suva finanziert. Ergänzend dazu erhält sie Spenden von Organisationen und Privatpersonen.

Gegenüber dem Regionaljournal Zürich-Schaffhausen von Radio SRF erklärte Stiftungspräsident Josef Widler am Mittwoch, dass er den Bund in der Verantwortung sieht. Dieser habe es «verschlafen, die Finanzierung gesetzlich zu regeln».

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hatte jedoch bereits Anfang Monat betont, dass die Beiträge an Tox Info Suisse nicht gekürzt, sondern gar erhöht worden seien – auf 670'000 Franken. «Die Finanzlücke bei Tox Info Suisse entsteht vor allem dadurch, dass sich die Stifter und Träger von der Finanzierung zurückziehen», schrieb das BAG in einer Stellungnahme. Ausserdem seien die Ausgaben jüngst «drastisch» gestiegen. Der Bundesbeitrag könne aufgrund der angespannten Finanzlage nicht erhöht werden.

Für August ist ein Treffen der Verantwortlichen von Tox Info und des Bundes geplant.

M.*: Vor Kurzem. Wegen Knieschmerzen nach einer Operation musste ich Schmerzmedikamente einnehmen. Ich dachte, ich könnte bedenkenlos drei am Tag nehmen. Als es mir daraufhin aber nicht so gut ging, wurde ich nervös und schaute in der Packungsbeilage nach. Dort stand: nur eine Tablette pro Tag. Ich wurde unsicher, ob ich etwas unternehmen müsse, und rief bei der Hotline an. Nach nur wenigen Sekunden wurde ich an eine Ärztin verwiesen. Sie erklärte mir dann, dass ich die Einnahme des Medikaments einfach pausieren solle. Das war sehr beruhigend.

Wie haben Sie den Dienst wahrgenommen?

Jana Schmitt: Über die Jahre habe ich sicher schon 15 bis 20 Mal beim 145 angerufen und dabei immer sehr positive Erfahrungen gemacht. Die Wartezeiten sind sehr kurz. Selbst bei komplexeren Fällen dauert es maximal zehn Minuten, bis man einen Rückruf erhält. So war es auch, als ich mir aus Versehen eine Spritze gefüllt mit Adrenalin selbst statt der Patientin injizierte. Oder auch bei einer privaten Anfrage, als mein Sohn ein Waschmittel-Tab für den Geschirrspüler, das sich nicht vollständig aufgelöst hatte, geschluckt hatte. In beiden Fällen beruhigte man mich schnell und gab mir die nötigen Informationen.

M.: Sehr positiv. Das ganze Gespräch dauerte nur zwei bis drei Minuten. Für mich war es das erste und bisher einzige Mal, dass ich mich dort gemeldet habe. Ich habe aber auch schon von Eltern gehört, die den Dienst nutzen. Das macht Sinn, denn es ist total unkompliziert.

Wieso braucht es das Angebot?

Jana Schmitt: Angesichts der Überlastung unseres Gesundheitswesens ist dieses Angebot besonders wichtig. Aus diesem Grund habe ich die Petition zur Rettung unterzeichnet. Meiner Meinung nach entlastet das Angebot viele Ärztinnen und Ärzte und muss daher als Teil der Grundversorgung angesehen werden. Niemand kann sich alle gefährlichen Substanzen merken. Würde es dieses Angebot nicht mehr geben, bedeutete dies für unsere Praxis einen erheblichen Mehraufwand.

Kleinkind öffnet Schrank mit Reinigungsmitteln.
Legende: Hat sich ein Kleinkind etwa im Küchenschrank vergriffen, ordnet der Dienst Symptome ein und sagt, was zu tun ist. IMAGO / Pond5 Images

M.: Ich habe die Petition auch unterzeichnet. Ich halte das Angebot für einen wichtigen Baustein zur Entlastung des Gesundheitswesens. Denn sonst würden alle sofort in den Notfall rennen. Es ist eine unkomplizierte Lösung, bei der man schnell den Rat einer Fachperson einholen kann, die einen im besten Fall beruhigen kann. Ich denke dabei etwa auch an Fälle, in denen Personen absichtlich eine Überdosis Medikamente eingenommen haben – und es nachher bereuen. Mit dem Angebot ist eine gewisse Anonymität gewährleistet.

*Aus Rücksicht auf die Privatsphäre der betroffenen Person wird der Name nicht genannt. Der Redaktion ist er bekannt.

Regional Diagonal, 16.7.2025, 16:30 Uhr ; 

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