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Terrorverdacht in Morges Beschuldigter ist mit Schweizer Islamisten vernetzt

  • Beim Mann, gegen den die Bundesanwaltschaft (BA) ein Strafverfahren eröffnet hat, handelt es sich nach Recherchen von SRF um einen 26-jährigen schweizerisch-türkischen Doppelbürger aus der Region Lausanne.
  • Er steht im Verdacht, am Samstag in Morges (VD) einen Mann erstochen zu haben. Heute hat die BA bekannt gegeben, dass sie die Ermittlungen übernommen habe, weil ein mögliches terroristisches Motiv nicht ausgeschlossen werden könne.
  • Der Tatverdächtige war am Sonntag festgenommen worden. Er ist den Schweizer Sicherheitsbehörden seit mehreren Jahren bekannt, unter anderem wegen seiner Verbindungen zu Islamistenszene in der Schweiz.

Das Opfer ist ein 29-jähriger Portugiese, der sich am Samstagabend in Morges (VD) mit seiner Begleitung in einen Kebab-Laden begab. Er wurde dort von einem Unbekannten niedergestochen, wie Westschweizer Medien berichten.

Jetzt zeigen Recherchen von SRF, wer der unbekannte Tatverdächtige offenbar ist: ein einschlägig bekannter Islamist aus dem Grossraum Lausanne, 26 Jahre alt, aus einer türkischen Familie stammend.

Verbindungen zu Islamisten

Der Verdächtige soll mit mehreren Islamisten vernetzt sein. Ob die Tat, für die er verdächtigt wird, aus dschihadistischer Motivation erfolgt ist, ist Gegenstand der Ermittlungen der BA. Diese schliesst das gemäss ihrer Mitteilung jedenfalls nicht aus. Weitere Kommentare gibt es vonseiten der BA nicht.

Die Verbindungen des Mannes ins Schweizer Islamisten-Milieu sind eine Seite, welche die Schweizer Behörden offenbar spätestens seit 2017 kennen. Die andere Seite ist offenbar eine psychische Störung des Mannes. Eine Kombination, die sich als tödlich herausgestellt haben könnte, aber noch nicht restlos geklärt ist.

Verantwortlich für Brandanschlag?

Allerdings ist nach Recherchen von SRF der Mann nicht ausschliesslich seiner islamistischen Verbindungen wegen bereits aufgefallen und gemäss BA deswegen auch dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) bekannt, sondern auch wegen zumindest einer weiteren Tat, für die er verdächtigt wird.

Dabei handelt es sich offenbar um einen versuchten Brandanschlag auf eine Tankstelle im Frühjahr 2019 in der Westschweiz. Danach wurde er gemäss Recherchen in Untersuchungshaft gesetzt, die mehrfach verlängert worden scheint – aber im Sommer dieses Jahres endete. Der Mann kam offenbar im Juli 2020 auf freien Fuss.

Weder BA noch NDB wollten diese Recherchen am Montagabend kommentieren. Beide Strafverfahren, jenes von 2019 und das neu eröffnete, sind nicht abgeschlossen, es gilt die Unschuldsvermutung.

Bereits heute zeichnet sich ab, dass der Fall noch zu reden geben dürfte: Nicht nur, weil – sollte sich die dschihadistische Motivation erhärten – dies der erste Terroranschlag auf Schweizer Boden seit Langem wäre, sondern auch wegen eines für die Angehörigen des Opfers besonders tragischen Umstandes: Offenbar war nach der Haftentlassung des Beschuldigten im Juli eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik vorgesehen. Weshalb dies nicht erfolgt ist, ist offen.

Tagesschau, 14.09.2020, 18:00 Uhr

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