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Therapie für 370'000 Franken NGOs wollen Patentierung von «Kymriah» verhindern

Die Patentierung führe zu überhöhten Preisen und Zweiklassenmedizin. Und: Novartis habe die Therapie nicht erfunden.

  • Die NGOs Public Eye und Médecins du Monde haben beim Europäischen Patentamt in München Einspruch gegen die Novartis-Krebstherapie «Kymriah» erhoben.
  • Die Krebstherapie sei keine Neuerfindung von Novartis, sondern beruhe «massiv auf der Forschung durch öffentliche Institutionen», wie Universitäten, schreiben die beiden NGOs in einer Mitteilung.
  • «Kymriah» wird zur Behandlung von Leukämie und Lymphdrüsenkrebs eingesetzt und kostet pro Behandlungsinfusion 370'000 Franken.
  • Damit setze Novartis einen neuen Preisrekord im Schweizer Gesundheitswesen, teilten Public Eye und Médecins du Monde mit.

Ein Patent würde der Novartis Rechtsschutz auf eine kommerzialisierbare Erfindung gewähren und als Monopolgarantie wirken. Das führe zu willkürlichen Preisen, die zunehmend zu einer Zweiklassenmedizin führten, schreiben die NGOs weiter.

Novartis lasse die Beschwerde derzeit durch Rechtsexperten des Unternehmens analysieren, hiess es beim Basler Pharmakonzern auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Behandlung kann weiterhin angeboten werden

Die Entscheide der Europäischen Patentbehörde in München sind auch für die Schweiz rechtsverbindlich. Die Beschwerde der NGOs habe keinen Einfluss darauf, ob die Novartis die Behandlung anbieten könne, denn für die kommerzielle Nutzung eines Medikaments brauche es kein Patent.

Wie funktioniert die Krebstherapie «Kymriah»?

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«Kymriah» ist eine Gentherapie. Einer krebskranken Patientin werden weisse Blutkörperchen entnommen. Diese Blutkörperchen werden dann im Labor genetisch so umprogrammiert, dass sie Krebszellen erkennen und attackieren können. Die gentechnisch veränderten Blutkörperchen werden darauf mit einer Infusion wieder im Körper der Patientin eingesetzt und sollen nun die mit Krebs befallenen Zellen zerstören. Das Ziel ist, dass sich die gentechnisch veränderten Zellen im Körper vermehren und so langfristig den Körper vor Blutkrebs beschützen können.

Novartis hatte im vergangenen Oktober die Zulassung für die Krebstherapie «Kymria» in der Schweiz erhalten. Diese Zulassung gilt für den Einsatz bei Patienten, die an Blutkrebs leiden und bei denen vorherige Therapien nicht angeschlagen haben. Der Krankenkassenverband Santésuisse teilte im März mit, man wolle den Versicherten den Zugang zu dieser Therapie ermöglichen, indem man sie mit bis zu 200'000 Franken vergüte.

Welche Chancen hat die Klage?

«Das Prinzip der Therapie stammt nicht von Novartis», sagt SRF-Wissenschaftsredaktorin Kathrin Zöfel. Doch Novartis habe noch einige wichtige Entwicklungsschritte beigefügt. Deshalb sei der Ausgang des Gerichtsverfahrens offen. Zöfel geht davon aus, dass Novartis die Patentfrage im Vorfeld gründlich abgeklärt habe.

Doch auch für die Wissenschaftsredaktorin steht «Kymriah» stellvertretend für ein System, in dem der Anfang einer Forschung häufig mit öffentlichen Geldern finanziert wird und dann von der Pharmaindustrie übernommen wird. Denn die ersten, die besonders riskanten Forschungsjahre, wurden mit Steuergeldern der US-Bevölkerung finanziert.

20 Millionen US-Dollars aus Steuergeldern

Um die 20 Millionen US-Dollars hätten diese gekostet, wie der US-Forscher Carl June kürzlich in der Sendung Dok sagte. June hat die Therapie ursprünglich entwickelt. «Erst als klar war, dass die neue Methode Erfolg hat, kam Novartis dazu und sicherte sich die exklusiven Verkaufsrechte», sagt Zöfel.

Auch ein weiteres Argument der NGOs, dass es kein Medikament, sondern eine Dienstleistung sei – und man es deshalb nicht patentieren könne –, sei eigentlich korrekt, so Zöfel. «‹Kymriah› ist ein medizinisches Therapieverfahren.»

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