Die Naturschutzorganisation Pro Natura ernennt jedes Jahr ein Tier zum «Tier des Jahres». 2024 ist es der Iltis . Noch nie gesehen? Alles andere wäre erstaunlich. Sein Fell ist fast schwarz, er hat eine weisse Maske im Gesicht. Rund um die Schnauze, um die Augen und die Ohren ist er weiss.
Verwandt mit dem Wiesel, ähnelt er auch dem Marder: «Wenn Sie einen Iltis sehen, dann ist es mit Sicherheit ein Marder», sagt der Wildtierbiologe Darius Weber. Seinen ersten Iltis fand er überfahren am Strassenrand. Er staunte, denn er dachte, der Iltis sei in der Schweiz ausgestorben. Ebenso sein Professor. So entschloss er sich, seine Doktorarbeit nicht wie geplant über den Luchs, sondern über den Iltis zu schreiben. Das war in den 1980er-Jahren, die Beobachtung mit dem Peilsender war gerade in Mode gekommen.
Deckung ist für die Iltisse wichtig
Es gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht. Weber musste zuerst einen Iltis fangen, um ihn mit einem Sender auszustatten. «Das war sehr mühsam.» Er stellte Fallen, vergebens. «Ich gab fast auf. Denn ich wusste nicht, was ich falsch machte.»
Er stellte die Fallen erst an Ufern, denn in den Lehrbüchern stand: Der Iltis lebt am Wasser. Doch diese Nomaden leben überall: in Hecken, im Wald, auch mitten in Wohnsiedlungen.
Iltisse bewegen sich nie ohne Deckung. Dies machte sich Weber zunutze. Er stellte die Fallen an sogenannten Zwangspässen – einer schmalen geschützten Verbindung in einer freien Fläche, etwa an einer trockenen Wasserrinne.
Nicht nur nachtaktiv
Die dort gefangenen Iltisse konnte er fortan orten und beobachten. Im Abstand von wenigen Metern folgte Weber ihrem Rascheln und Schmatzen. «Iltisse sind mehr Sucher als Jäger. Sie stöbern mit der Nase nach Fröschen und Kröten, ihrer Hauptnahrung.» Wenn sie in ihren Verstecken schlafen, sind sie kaum zu wecken. So musste Weber manchmal Stunden warten, bis der Iltis weiter wuselte.
Da die Tiere als nachtaktiv galten, verbrachte Weber seine Nächte mit dem kleinen Jäger. Bis er merkte, dass sie durchaus auch am Tag unterwegs waren. «Das war eine grosse Erleichterung», lacht er. Das Verblüffendste: das unglaubliche Ortsgedächtnis. «Der Mensch ist weit weg von diesen Fähigkeiten.» Umgerechnet auf die Grösse eines Menschen kennen und nutzen die Iltisse die Fläche des Kantons Zürich und erinnern sich an Wege, Verstecke und Nahrungsquellen.
Stinken wie ein Iltis – schlafen wie ein Ratz
Der Iltis hat einen schlechten Ruf: «Der Iltis ist auf Mord erpicht», dichtete Wilhelm Busch, er galt als Eier- und Hühnerdieb. «Man wusste früher nicht genau, was der Iltis macht und was der Marder», meint Weber. Die Hühner seien wohl vor allem von Mardern geholt worden.
Noch heute gibt es Volksbräuche, die einen gefangenen Iltis zelebrieren. «Stinken wie ein Iltis», ein Sprichwort, das auf seine Fähigkeit zurückgeht, bei Gefahr ein Sekret abzusondern. Wer «schläft wie ein Ratz (Jägersprache)» – schläft tief wie ein Iltis.
Seit zwei Jahren steht der Iltis auf der Roten Liste, die Art gilt als verletzlich. Vor allem, da der Bestand der Amphibien zurückgeht. «Der Iltis ist nicht auf einzelne Arten angewiesen, aber auf die Masse. Er braucht viele Grasfrösche und Erdkröten, um durch den Sommer zu kommen.»
Lebende Iltisse können in der Schweiz nur im Tierpark Goldau besichtigt werden.