Das Wichtigste in Kürze:
- Hat ein Verstorbener bei der Visana eine Lebensversicherung abgeschlossen, müssen die Hinterbliebenen den Toten innert zwei Tagen melden. Sonst verfällt der Anspruch auf Versicherungsleistungen.
- Andere Versicherungen halten sich an die Vorgaben des VVG, das Versicherungsvertragsgesetz. Diese schreibt eine Frist von 2 Jahren vor.
- Die Visana betont, dass die kurze Frist von 48 Stunden nur bei Toten gilt, deren Todesursache unklar sei, etwa bei Suizid oder Unfall. So soll der Versicherung vor der Beerdigung die Möglichkeit gegeben werden, Abklärungen zu treffen.
Ein junger Familienvater von drei Kindern entdeckte vor Kurzem in seinen Unterlagen die Zusatzbedingungen für die «Kapitalversicherung bei Tod oder Invalidität durch Krankheit KTI» der Visana.
Er ist entsetzt über diese kurze Meldefrist im Ernstfall: «Wenn ein Angehöriger stirbt, mit welchem man auch emotional stark verbunden ist, denkt man doch nicht in den ersten 48 Stunden daran, dass da noch eine Todesfallversicherung ist.»
Und er ergänzt, dass ein solches Vorgehen schlicht kundenfeindlich sei. Im Wortlaut heisst es unter den Zusatzbedingungen: «Bei Verletzung dieser Obliegenheiten werden keine Leistungen erbracht.»
Klausel «äusserst problematisch»
Frédéric Krauskopf ist Professor für Privatrecht an der Universität Bern und Direktor des Instituts für Haftpflicht- und Versicherungsrecht. Seine Einschätzung der stossenden Fristen-Klausel: «Das VVG, das Versicherungs-Vertragsgesetz, sieht eine zweijährige Verjährungsfrist für Versicherungsleistungen, welche nicht verkürzt werden darf. Durch diese Meldefrist in den Vertragsbedingungen erreicht man, dass genau diese Frist auf 48 Stunden verkürzt wird.» Und dies sei äusserst problematisch.
Zwar beruft sich die Krankenversicherung Visana auf die Aufsichtsbehörde Finma, die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, welche die Zusatzbedingungen schliesslich nicht beanstandet hätte.
Die gesetzlich vorgeschriebene zweijährige Verjährungsfrist darf nicht verkürzt werden.
Dazu meint Frédéric Krauskopf: «In der Schweiz gibt es keine vollständige Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen.» Es kann also sein, dass diese kurze Meldefrist schlicht nicht geprüft worden war.
Ist nicht so gemeint
Das Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1 hat den Krankenversicherer Visana nach den Gründen für die unsägliche Klausel gefragt. Die Visana-Medienbeauftragte Melanie Schmid präzisiert, die 48-Stunden-Frist beziehe sich nur auf Fälle, bei denen die Todesursache unklar sei: «In diesen Ausnahmefällen hat der Versicherer noch die Möglichkeiten, Abklärungen zu machen, vor der Beerdigung des Toten.» Diese Klausel soll also nur in diesen Fällen zum Tragen kommen, wenn unklar ist, woran der Versicherte gestorben ist, etwa durch einen Suizid oder einen Unfall.
Nur: In den Vertragsbedingungen steht davon kein Wort. Sie sind allgemein formuliert. Dazu meint die Visana-Sprecherin: «Das ist generell formuliert, als Absicherung. Für uns massgebend ist jedoch die Umsetzung in der Praxis.» Und sie beteuert, Visana habe seit Einführung dieser Zusatzversicherung 2010 noch nie eine Leistung verweigert, weil ein Versicherungsnehmer die Frist nicht eingehalten hätte.
Visana-Todesfallversicherung ist eigentlich ein Angebot der KPT
Eine Übersicht über verschiedene grössere Krankenkassen mit ähnlicher Zusatzversicherung zeigt, nur die KPT hat dieselben Zusatzbedingungen für ihre Verträge. Kein Zufall: Die Krankenversicherung KPT ist die eigentliche Trägerin dieser Todesfallversicherung, hier arbeiten Visana und KPT zusammen.
Und wie begründet die Urheberin KPT diese Zusatzklausel? Sie schreibt «Espresso»: «Gemäss Rechtsprechung ist die Festlegung einer solchen Frist grundsätzlich möglich. Die Frist wurde durch die KPT angesetzt, damit wir möglichst rasch über den Schadenfall in Kenntnis gesetzt werden und die Leistungen zeitnah beurteilen können.» Schliesslich fügt auch die KPT den Ausnahmefall noch an, wenn eine unklare Todesursache vorliegt.
Andere Krankenkassen lassen bis zu zwei Jahre Zeit
Eine Umfrage bei grossen Krankenversicherern zeigt, dass die meisten die Meldefrist bei zwei Jahren ansetzen, angelehnt an die zweijährige Verjährungsfrist im Versicherungsvertragsgesetz. Und diese Krankenversicherer weisen eindeutig darauf hin, dass sich die Meldefrist nur in Ausnahmefällen bei unklarer Todesursache verkürzt.
Der junge Familienvater jedenfalls will nicht darauf vertrauen, dass die Visana im Ernstfall nicht auf die 48-Stunden-Frist pocht und hat für genau diesen Fall einen Notfall-Ordner bereit gemacht für seine Angehörigen. Mit allen Formularen und den dazugehörigen Fristen.
Meldefristen der einzelnen Versicherungen
Versicherung | Meldefrist |
---|---|
Concordia | 2 Jahre (= Gesetzliche Verjährungsfrist für Versicherungsleistungen) |
CSS | 30 Tage |
Groupe Mutuel | 2 Jahre (= Gesetzliche Verjährungsfrist für Versicherungsleistungen) |
Helsana | umgehend, «gemäss AVB umgehend, wir zeigen uns jedoch bezüglich des Zeitpunkts der Beantragung kulant.» |
KPT | 48 Stunden (Einen Rechtsnachteil erleiden die Versicherten gemäss Gesetz (zwingender Art. 45 VVG) nur, wenn die versäumte Meldung verschuldet erfolgt und der Todesfall somit trotz Kenntnis des Anspruchs auf Versicherungsleistungen nicht gemeldet wurde. Wird die Meldung jedoch nach Tagen/wenigen Wochen vorgenommen, so stellt dies in der Regel keine Schwierigkeit dar und wir zahlen das Kapital nach erfolgter Prüfung der versicherten Leistungen aus) |
Sanitas | 2 Jahre (= Gesetzliche Verjährungsfrist für Versicherungsleistungen) |
Swica | 2 Jahre (= Gesetzliche Verjährungsfrist für Versicherungsleistungen) |
Sympany | umgehend, «grundsätzlich sollte die Todesfallmeldung so schnell wie möglich erfolgen. Da wir in unseren AVB keine Frist erwähnt haben, handhaben wir dies grosszügig. Allerdings verjährt der Anspruch nach zwei Jahren. |
Visana | 48 Stunden (Die Meldefrist in den Zusatzbedingungen ist primär für den Fall bestimmt, wenn die Todesursache und damit der Leistungsanspruch unklar ist. Bei einer „normalen“ Todesursache (Krankheit) kommt die Regelung in der Praxis nicht zum Tragen, was – gerade unter Berücksichtigung der schwierigen Situation der Angehörigen – bedeutet, dass wir problemlos auch spätere (zeitnahe) Meldungen entgegennehmen (z.B. innert Wochen- oder Monatsfrist). |