Bedrohungsmanagement. Das sperrige Wort ist der Begriff der Stunde in der Gewaltprävention. Es ist eine Stelle im Kanton, an die möglicherweise gefährliche Personen gemeldet werden können. Personen, die im Kontakt mit Behörden oder Ämtern Gewaltdrohungen aussprechen. In solchen Fällen wird das Bedrohungsmanagement eingeschaltet. Es versucht, auf die betreffende Person zuzugehen, sie auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen und die Situation zu beruhigen.
Ein Mosaikstein im Kampf gegen Gewalt
Mit diesem Instrument hätte sich das Tötungsdelikt vom vergangenen Jahr vielleicht verhindern lassen. Mitten am Tag sticht eine 75-jährige Frau im Basler Gotthelfquartier einen Schuljungen auf dem Weg nach Hause nieder. Der Junge stirbt.
Das Tötungsdelikt vom 21. März 2019 war indes nicht der Auslöser für das Vorhaben des Kantons Basel-Stadt. Es wurde schon vorher in die Wege geleitet. Ein Mosaikstein im Kampf gegen Gewalt, wie es der Basler Sicherheitsdirektor Baschi Dürr formuliert: «Natürlich möchten wir genau solche Fälle auf den Radar bekommen, um vorher schon intervenieren zu können.»
Die Rentnerin war aktenkundig
Rund 20 Kantone kennen bereits solche Frühwarnsysteme. Eingeführt wurden sie unter anderem nach Vorfällen wie dem Tötungsdelikt von Pfäffikon (ZH), als ein Mann seine Ehefrau und die Leiterin des lokalen Sozialamtes erschoss. Der Mann war der Polizei als gewalttätig bekannt und hatte ein Kontaktverbot zu seiner Frau.
Auch die 75-jährige Angeklagte des Basler Delikts war aktenkundig. Laut der Anklageschrift kämpfte die Frau jahrelang mit Briefen und Beschwerden gegen Behörden. Sie hatte in einem aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Betreibungsverfahren ihren Besitz verloren und wollte sich ihr Eigentum zurückholen. Um das zu erreichen, drohte sie sogar dem Bundesgericht, dass sie eine Gewalttat begehen werde.
Nur eine Prognose
Das Voraussehen eines konkreten Delikts sei allerdings nicht möglich, sagt Forensiker Josef Sachs. Wohl gebe es bei bedrohlichem Verhalten bestimmte typische Eigenschaften der betreffenden Person oder Situation. Aber man kann nur das Risiko einschätzen. «Es ist eine Wahrscheinlichkeitsaussage, die man machen kann», so Sachs. Der unwahrscheinlichere Fall könne aber trotzdem eintreffen.
Ich habe Verständnis, dass man etwas unternehmen will. Aber man muss aufpassen.
Genau das hält die Luzerner Kantonsrichterin und Spezialistin für Massnahmenrecht Marianne Heer für juristisch anspruchsvoll. «Ich habe Verständnis, dass man etwas unternehmen will. Aber man muss aufpassen, dass man nicht wegen einzelner tragischer Fälle bewährte Konzepte über Bord wirft.» Wie zum Beispiel das rechtsstaatliche Prinzip, dass man sich grundsätzlich keine Überwachung oder ein Fichieren durch den Staat gefallen lassen muss.
Denn wer vom Bedrohungsmanagement erfasst wird, der oder die wird auch registriert. Die Daten sollen – im Falle des geplanten Basler Bedrohungsmanagements – mindestens drei Jahre aufbewahrt werden. Doch der Basler Sicherheitsdirektor Dürr sagt: «Es ist keine geheime Überwachung.» Nur eine geschulte Person könne eine Meldung an das Bedrohungsmanagement machen. Und die potenziell gefährliche Person wird darüber informiert, dass er oder sie registriert worden ist. Das Gericht wird prüfen, ob die entsprechenden Voraussetzungen dafür erfüllt sind.