In der Nacht auf Freitag hat es vielerorts in der Schweiz wieder stark geregnet. Zeitweise stand die Autobahn im Tessin unter Wasser. Auch Bäche sind über die Ufer getreten, Keller wurden überflutet, und immer wieder hört man in den Nachrichten Meldungen wie diese:
- «Wegen der starken Regenfälle der letzten Tage ist das Wasser in der Zürcher Gemeinde Zell im Tösstal verschmutzt.»
- «In der Luzerner Gemeinde Gisikon darf das Wasser ab dem Wasserhahn im Moment nicht getrunken werden.»
- «In der Gemeinde Hettiswil, im Gebiet Schleumen und im Industriegebiet Sagi ist das Trinkwasser bakteriell verschmutzt.»
Andri Bryner vom Wasserforschungsinstitut des Bundes (Eawag) erklärt, wie sowas passieren kann – und dass es immer wieder dazu kommt.
SRF News: Es gibt immer wieder Meldungen über Verunreinigungen des Trinkwassers nach starkem Regen. Wie kommt das zustande?
Andri Bryner: Wenn der Boden nass ist und sehr viel Regen zusätzlich fällt, dann schluckt der Boden das Wasser nicht mehr. Dann haben wir einen sogenannten Oberflächenwasserabfluss. Das heisst, nicht nur das Wasser in den Bächen steigt, sondern plötzlich rinnt es auch über Wiesen und Wege. Wenn dann irgendwo eine Grundwasserfassung nicht gut genug geschützt ist, kann das ablaufende Wasser in die Wasserfassung hineinlaufen und wir haben dort eine Verschmutzung. Das ist der einfachste Fall.
Was wäre der andere, kompliziertere Fall?
Es gibt Fälle, bei denen durch das viele Wasser die Fliesszeiten im Grundwasser schlicht zu kurz werden, weil so viel Wasser in den Bächen und Flüssen ist. Im Normalfall gehen wir davon aus, dass das Grundwasser, bis es als Trinkwasser wieder hochgepumpt werden kann, ungefähr zehn Tage im Untergrund sein soll. Das ist die Zeit, die gewährleistet, dass zum Beispiel bakterielle Verunreinigungen entfernt werden. Wenn die Zeit aber zu kurz ist, wenn das plötzlich nur noch Stunden sind, die das Wasser unterwegs ist, bis es irgendwo wieder gepumpt wird, dann kann es auch zu Verunreinigungen kommen.
Das Wasser braucht also Zeit, damit es gefiltert werden kann?
Bei einem Fluss versickert immer etwas im Untergrund. Dieses Wasser fliesst dann ganz langsam durch Sand und kiesigen Untergrund, bis es irgendwo, ein paar hundert Meter entfernt vom Fluss, wieder aus dem Grundwasser und damit als Trinkwasser hochgepumpt wird. Die Passage durch den Untergrund ist wie ein Sandfilter, der das Wasser biologisch reinigt.
In der Aare wurden offenbar Klopapierfetzen entdeckt. Ist es möglich, dass bei Hochwasser verunreinigtes Wasser, das sonst in eine Kläranlage fliessen sollte, in offene Gewässer gerät?
Das ist eigentlich der Normalfall. Kanalisationsröhren und Kläranlagen kann man gar nicht auf solche Starkregenereignisse dimensionieren. Es ist nicht möglich, immer das Maximum abzudecken.
Die Passage durch den Untergrund ist wie ein Sandfilter, der das Wasser biologisch reinigt.
Das heisst, wenn starker Regen fällt, ist es ganz normal, dass irgendwann die Röhren der Kanalisation und auch die Becken einer Kläranlage nicht mehr alles Schmutzwasser aufnehmen können. Dann läuft ungereinigtes Wasser ins nächste Oberflächengewässer über. In der Regel ist das nicht so schlimm, weil es dann Mischwasser ist, das nur wenig verunreinigt ist. Damit gelangt auch Klopapier in die Gewässer, ohne dass es vorher durch die Kläranlage geflossen ist.
Das Gespräch führte Silvan Zemp.
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