So einsam wie jetzt gerade stirbt der Löwe von Luzern nur selten. Mit geschätzten 1,4 Millionen Besucherinnen und Besuchern 2019 gehört er eigentlich zu den meist bewunderten Denkmälern der Schweiz, zu praktisch jeder Zeit tummelt sich eine Traube Touristinnen und Touristen vor der imposanten Felswand, bewehrt mit Kameras und Selfie-Sticks.
Bohren und Hämmern
Doch seit Anfang Monat ist nichts mehr zu sehen vom Löwendenkmal: Entlang der Felswand klettert ein Baugerüst empor, das ein wenig wirkt, als habe man den sterbenden Löwen hinter Gitter gesperrt. Seither verirrt sich auch kaum jemand mehr hierher.
Was aber nicht heisst, dass es still ist um den Löwen. Im Gegenteil. Es hämmert und bohrt, auf dem Baugerüst sind Handwerker zu sehen. Das Denkmal wird saniert. Grund für die Sanierung ist Wasser, welches dem 10 Meter breiten Denkmal zusetzt.
Entwässerungsstollen hinter dem Löwen
Im roten Overall steigt Vitus Wey vom Gerüst. Er ist Steinbildhauer und leitet diese spezielle Baustelle. Er kennt den Löwen und den Fels (ein ehemaliger Steinbruch), in den das Denkmal vor gut 200 Jahren gehauen wurde.
Er sagt: «Man sieht die verschiedenen Gesteinsschichten in der Wand deutlich. Im Fels hat es zahlreiche Bänke und Klüfte und dazwischen fliesst Wasser. Viel Wasser. Die ganze Zeit.» Wasser, welches durch die Felswand drückt und mit der Zeit dem Sandstein schadet.
Darum gibt es das Löwendenkmal
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Als am 10. August 1792 eine aufgebrachte Menschenmenge in Paris den Palais des Tuileries stürmte, stellte sich ihr die Schweizergarde entgegen, die den französischen König beschützte. Sie war allerdings chancenlos: Über 800 Schweizer Söldner wurden getötet.
Der Luzerner Offizier Carl Pfyffer von Altishofen war zu diesem Zeitpunkt gerade auf Heimurlaub und entging so dem Sturm auf die köngliche Residenz. Er sammelte daraufhin Geld, um ein Denkmal für seine gefallenen Kameraden zu errichten. Vor allem konservative und aristokratische Kreise in ganz Europa unterstützen das Ansinnen. Liberale konnten sich mit dem Denkmal – in dem sie eine Verherrlichung des Kampfs für die Monarchie und gegen die Ideale der Französischen Revolution sahen – nicht anfreunden.
Im Lauf der Jahrzehnte wandelte sich aber die Bedeutung des 1821 eingeweihten Denkmals: die Besuchenden faszinierte bald weniger der blutige Hintergrund des Löwen als seine kunstvolle Darstellung. Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain bezeichnete ihn 1880 als «das traurigste und bewegendste Stück Stein der Welt.»
Dass das Wasser dem Löwen nicht gut bekommt, zeigte sich schon wenige Jahrzehnte nach der Einweihung des Denkmals. Bereits in den 1850er-Jahren wurde erstmals eine Restaurierung des Denkmals ins Auge gefasst. Ende des 19. Jahrhunderts liess die Stadt Luzern dann einen Stollen ins Gestein hinter dem Löwen treiben, 25 Meter lang, drei Meter hoch. Dieser Stollen soll das Wasser sammeln und stoppen: Wey: «Wenn das Wasser hier hinten reinläuft, ist das gut. Dann läuft es nicht vorne zum Löwen.»
Der Grundgedanke dieses Entwässerungssystem sei immer noch gut, so Wey. Doch in den letzten Jahren habe sich vorne an der Wand trotzdem immer mal wieder Wasser angestaut. «Das Hauptaugenmerk der aktuellen Sanierung liegt deshalb auf dem Entwässerungssystem». Die Arbeiter versuchen dem Wasser im Fels mehr Abflusswege freizulegen. Dazu wurde ein 3D-Scan des Felsens gemacht: Vitus Wey: «Wir sehen nun, wo die Kluften durchgehen und können das Wasser besser vom Löwen wegleiten.»
Das arme Vieh hat schon viel erlebt.
Der Löwe selbst werde bei dieser Sanierung – nach Möglichkeit – nicht angerührt. Das sei anspruchsvoll: So müsse zum Beispiel gleich hinter dem Löwen in der Nische der Mörtel rausgespitzt werden. Und auch die Inschrift unter dem Löwen werde aufgefrischt.
Sanierung kostet 70'000 Franken
Schaut man auf 200 Jahre Löwendenkmal, hat der Löwe bewegte Zeiten hinter sich. «Das arme Vieh hat schon viel erlebt. Unter anderem fiel im einmal eine Tatze ab. Die Vorderpranke musste mit neuen Steinstücken ersetzt und neu geformt werden.» Und im Jahr 2009 wurde einmal sogar ein Farbanschlag auf den Löwen verübt (siehe Bildergalerie).
Das Löwendenkmal: Publikumsmagnet seit 200 Jahren
Die aktuelle Sanierung kostet rund 70'000 Franken und dauert bis in den Mai. Der verdeckte Löwe und der Teich ohne Wasser dürften für einige enttäuschte Gesichter bei Touristinnen und Touristen sorgen. Das – so Vitus Wey – müsse man in Kauf nehmen.
«Das Wichtigste ist, dass es dem Löwen auch in Zukunft gut geht.» Der Steinbildhauer hat den Löwen nämlich ins Herz geschlossen und ist damit - das zeigen die Millionen von Besucherinnen und Besucher - nicht allein.
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