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Tradition im Wandel Mitmachen statt zuschauen – Zuoz lässt Mädchen am Chalandamarz zu

Am «Schellen Ursli»-Tag, dem Chalandamarz, dürfen neu auch die jungen Mädchen mitmachen – allerdings ohne Glocken.

Zuvorderst laufen die Knaben mit den grossen Glocken und Plumpen, dann folgen Schulabgängerinnen in Engadiner Tracht und Knaben in blauen Hemden, mit Zipfelmützen und kleineren Glocken – so hat sich bis jetzt der Chalandamarz in Zuoz präsentiert. Jetzt dürfen auch jüngere Mädchen mitmachen. Eine Glocke tragen dürfen sie aber nicht.

Zwei Glocken in den Händen von Knaben.
Legende: Die Glocke – auch Plumpa genannt – bleibt in Zuoz den Knaben vorbehalten. SRF/Silvio Liechti

Zuoz ist eine der letzten, wenn nicht die letzte Gemeinde im Engadin, welche alle Mädchen in den Chalandamarz integriert.

Grosser Widerstand in der Gemeinde

Zuoz gilt als eine der Chalandamarz-Hochburgen im Engadin. Die Wogen waren hochgegangen, als eine Anpassung des Chalandamarz-Reglements zur Diskussion stand. Der Gemeindevorstand beauftragte daraufhin die Chalandamarz-Kommission, den Anlass mit Mädchen zu planen. Ohne eine Anpassung des Chalandamarz-Reglementes. Der Gemeindevorstand bezeichnet dieses Jahr denn auch als Pilotjahr.

Ohne Glocke am Ende des Umzugs

Was die einen überhaupt nicht stört, löst bei anderen Fragen aus: «Wieso tragen die Mädchen keine Glocken?» und «Wieso müssen sie am Ende des Umzugs laufen?». Die Antwort der Komission: «Wir haben das so entschieden».

Kinder in blauen Hemden mit roter Kappe.
Legende: Vorne die Knaben mit Glocken, dann die Schulabgängerinnen und dann die Mädchen ohne Glocken – so ist der Chalandamarz-Umzug in Zuoz organisiert. SRF/Silvio Liechti

Die Meinungen in Zuoz sind gemacht: Von Enttäuschung, dass sie nicht vollständig den Knaben gleichgestellt sind. Bis hin zur Erleichterung, dass sie keine schweren Glocken tragen müssen – bei den Mädchen. Die Knaben finden es zum Teil komisch, dass die Mädchen ohne Glocken hinter ihnen herlaufen müssen.

Wehmut bei Alteingesessenen

«Für mich ist ein alter Brauch verloren gegangen», sagt eine Passantin. «Jetzt ist es so», sagt ein anderer Herr, «ich kann damit leben, aber im Herzen ist es nicht schön».

Es gibt aber auch die anderen Meinungen, jene derer, die es an der Zeit fanden, dass Zuoz als letzte Gemeinde diesen Schritt auch macht. Sie trauern dem reinen Knabenumzug und Knabengesang nicht hinterher.

Der Gesang ist mit den Mädchen besser geworden.
Autor: Giachem Bott Mitglied Chalandamarz-Komission Zuoz

Wir wollten diese Umstellung Schritt für Schritt machen, sagt Giachem Bott von der Chalanda-Komission. «Der Gesang ist mit den Mädchen schon mal besser geworden», bilanziert er. Das lässt ihn hoffen, dass die Akzeptanz der Mädchen im Chalandamarz grösser wird und dass in eins bis zwei Jahren die Mädchen dann vielleicht sogar mit einer Glocke durch Zuoz ziehen dürfen.

Chalandamarz: Von Gemeinde zu Gemeinde verschieden

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Kinder in blauen Hemden mit roten Zipfelmützen und Glocken.
Legende: SRF/Silvio Liechti

Der Brauch des Chalandamarz geht auf die Zeit zurück, als die Römer über Rätien herrschten.

Der 1. März war damals der erste Tag des Jahres. «Chalanda» heisst auf Deutsch «erster».

Der Chalandamarz ist ein Fest für die Schuljugend. Die Kinder ziehen mit Kuhglocken und Schellen durch das Dorf und singen Frühlingslieder.

Der Brauch ist von Dorf zu Dorf verschieden. In den meisten Gemeinden sind Mädchen schon seit längerem vollständig in den Anlass integriert.

Den Chalandamarz kennen die Gemeinden im Engadin, im Münstertal, im Albulatal, im Oberhalbstein und in den italienischsprachigen Südtälern.

Das Singen von Frühlingsliedern ist am Chalandamarz wichtig. Die Kinder betreten nie ein Haus. Vor der Haustüre singen sie ihre Lieder - unter anderem das Chalandamarzlied. Sie vertreiben so den Winter und werden dafür auch beschenkt.

Regionaljournal Graubünden, 01.03.2023, 17:30 Uhr ; 

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