Verlassene Infrastruktur: Bei diesem Begriff würde man im ersten Moment nur wenig an Klimaerwärmung denken. Doch verlassene Kohleminen oder alte Öl- und Gasquellen, die nicht mehr in Betrieb sind, belasten die Umwelt enorm. Dies belegt auch ein neuer Bericht der «Internationalen Energieagentur» (IEA). Verlassene Infrastruktur ist quasi der viertgrösste Produzent von Treibhausgasen nach China, den USA und Russland. Cyril Brunner über die Hintergründe.
SRF News: Warum spielt verlassene Infrastruktur bei der Umweltbelastung eine derart grosse Rolle?
Cyril Brunner: Es handelt sich primär um Methanemissionen. Unsere Gesellschaft legt den Fokus häufig auf CO₂, was auch sehr wichtig ist. Aber Methan ist ein sehr potentes Treibhausgas: Wir haben aktuell eine globale Erderwärmung von 1.4 Grad. Wäre niemals Methan ausgestossen worden, wäre es heutzutage ein halbes Grad kühler. Beim Kohleabbau beispielsweise wird ein wenig Erdgas freigesetzt. Ebenfalls bei der Behandlung der Kohle, wenn wir daraus Produkte herstellen. Das Gleiche geschieht, wenn wir aus dem Erdöl versuchen, Benzin oder Diesel zu gewinnen. Auch hier wird Erdgas oder in dieser Form Methan frei. Ebenso sind die Pipelines nicht zu hundert Prozent dicht, auch hier gelangt Erdgas in die Atmosphäre.
Die IEA spricht von verlassener Infrastruktur. Was ist damit gemeint?
Einerseits sind das Ölfelder oder Gasfelder, welche man genutzt hat, aber nun nicht mehr kommerziell und wirtschaftlich zum Fördern gebraucht werden. Typischerweise macht man einen Stöpsel darauf, aber diese sind nicht immer vollständig dicht und es tritt Erdgas, sprich Methan, heraus. Auch bei den stillgelegten Kohleminen tritt nach wie vor jeweils eine kleine Menge Erdgas hinaus.
Je nach Rahmenbedingungen und Regulierungen kann man es durchaus erreichen, dass keine Emissionen mehr austreten.
Also war man bei der Stilllegung dieser Infrastruktur nachlässig?
Je nach Rahmenbedingungen und Regulierungen kann man es durchaus erreichen, dass keine Emissionen mehr austreten. Aber wenn es keine Rolle spielt, ob da noch etwas herauskommt oder nicht – beispielsweise in Staaten mit den Hauptquellen wie Russland oder den USA – geht man auch nicht im Nachhinein noch hin und überprüft die Werte.
Es gibt häufig keine Rahmenbedingungen, welche diesen Ausstoss adressieren oder gar unterbinden könnten.
Wen müsste man in die Verantwortung nehmen, um den Ausstoss von Methan zu verhindern?
Im Endeffekt ist es eine Frage, die wir als Gesellschaft diskutieren müssen, nämlich wer genau die Verantwortung dafür übernehmen soll. Aus meiner Sicht sind es vermutlich die Firmen, denen diese Öl- und Gasfelder sowie Kohleminen damals gehörten oder teilweise immer noch gehören. Es gilt jedoch zu erwähnen, dass es häufig keine Konsequenzen hat, wenn während der Förderung Methan ausgestossen wird. Die Firmen müssen nichts zahlen und es gibt keine Richtlinien. Deshalb spielt es aktuell auch kaum eine Rolle, was nach der Stilllegung mit den Infrastrukturen geschieht, ob da nun noch Methan in die Atmosphäre herausströmt oder nicht. Es gibt häufig keine Rahmenbedingungen, welche diesen Ausstoss adressieren oder gar unterbinden könnten.
Das Gespräch führte Lea Saager.