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Sparen bei der IV Trotz strenger Rentenvergabe wird Ziel nicht erreicht

Die Zahl der derzeit mehr als 220'000 IV-Renten soll weiter sinken. So sieht es das Gesetz vor. Doch trotz verstärkter Massnahmen zur Wiedereingliederung und strengerer Anforderungen für eine Rente werden die Vorgaben kaum erreicht.

  • Die IV soll bis 2018 Tausende weitere Renten einsparen, die Betroffenen sollen in den Arbeitsprozess eingegliedert werden.
  • Inzwischen zeigt sich: Die Vorgaben der letzten IV-Revision werden nicht erreicht.
  • Und das trotz einer strengeren Beurteilung im Einzelfall mit teils schwerwiegenden Folgen für den Betroffenen.

In den letzten Jahren wurden jeweils rund 14'000 neue IV-Renten gesprochen. Das sind etwa halb so viele wie noch zu Beginn des Jahrtausends. Auch die Gesamtzahl der IV-Rentnerinnen und -Rentner nahm in den letzten zehn Jahren kontinuierlich ab. Heute beziehen in der Schweiz insgesamt gut 223'000 Personen eine IV-Rente. Das sind rund zehn Prozent weniger als 2006 – ein Erfolg aus Sicht der Invalidenversicherung.

Menschen fallen durchs IV-Netz

Doch die Betroffenen sehen das etwas anders: «Wenn wir sicher wären, dass jene, die nun keine Rente erhalten, beruflich eingegliedert sind und ihre Existenz sichern können, wäre dies ein gutes Zeichen», sagt Georges Pestalozzi. Er ist Sozialversicherungsexperte bei Inclusion Handicap, dem Dachverband der Behindertenorganisationen.

Leider sehe die Realität aber heute anders aus. So würden etliche Gesuche für IV-Renten abgewiesen, obschon die Chancen der Betroffenen auf eine Eingliederung minim seien und häufig «nicht realisiert» würden.

An der Realität vorbeipolitisiert

Tatsächlich sei die Wiedereingliederung von kranken Menschen in den Arbeitsmarkt schwierig, gibt Stefan Ritler zu. Er ist im Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) zuständig für die Invalidenversicherung. Das von der Politik vorgegebene Ziel, bis nächstes Jahr 12'500 IV-Renten einzusparen, werde deshalb fast sicher verfehlt. «Das Potenzial wurde von der Politik wahrscheinlich überschätzt», sagt Ritler.

Die Zahl jener Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen ihren Arbeitsplatz verloren haben und später wieder zurück auf den Arbeitsmarkt finden, ist also kleiner als erhofft. Es wäre deshalb, ist der BSV-Vizedirektor überzeugt, alles zu tun, damit die betroffenen Menschen ihre Stelle gar nicht erst verlieren.

IV möglichst früh miteinbeziehen

So müsse der Kontakt zur IV-Stelle im Falle einer schweren Krankheit oder eines Unfalls mit langfristigen Folgen möglichst früh gesucht werden. Dann sei die Wahrscheinlichkeit grösser, dass der Betroffene den Arbeitsplatz behalten oder eine Alternative, etwa durch eine Umschulung, gefunden werden könne, so Ritler.

«Eingliederung vor Rente» heisst dazu das Schlagwort. Tatsächlich sei es den IV-Stellen letztes Jahr gelungen, mit Hilfe der Arbeitgeber fast 20'000 Menschen mit Beeinträchtigungen im Arbeitsmarkt zu halten. Diese Bemühungen werde man künftig noch verstärken, verspricht Ritler.

Arbeitgeber müssen mitmachen

Das gehe allerdings nicht ohne das Engagement der Wirtschaft. Und dieses müsse freiwillig geschehen, denn allzu starker Druck auf die Arbeitgeber schade der Sache eher als dass es ihr nütze, ist der BSV-Vizedirektor überzeugt. Das ist ganz im Sinn von Martin Kaiser. Er ist Präsident des Vereins Compasso, der die Arbeitgeber im Umgang mit gesundheitlich beeinträchtigten Menschen unterstützt.

Es braucht massgeschneiderte Hilfen für jeden einzelnen Fall, ist Kaiser überzeugt. Das bringe mehr als allgemeingültige Vorschriften oder gar Behindertenquoten. Die richtigen gesetzlichen Anreize seien zwar schon wichtig, doch es brauche auch die «richtigen Angebote an die Arbeitgeber». Dies sei der erfolgversprechendste Weg. «Die Resultate zeigen dies deutlich.»

Der Grossteil lebt heute schlechter als vor 20 Jahren.
Autor: Georges Pestalozzi Inclusion Handicap

Skeptisch bleibt Georges Pestalozzi von Inclusion Handicap. Zwar gebe es engagierte Arbeitgeber, die freiwillig viel für behinderte Mitarbeiter tun. Doch für alle anderen brauche es verbindlichere Vorschriften, zumal es in der Schweiz in den letzten Jahren für Menschen mit Behinderungen schwieriger geworden sei.

Zwar habe die neue Eingliederungsstrategie der IV «vereinzelt» zu Erfolgen geführt. «Diese Leute sind heute glücklich und haben eine neue Existenz gefunden.» Doch: «Der Grossteil steht heute schlechter da als vor 15 oder 20 Jahren», stellt Pestalozzi fest.

Das wollen weder Martin Kaiser vom Verein Compasso noch Stefan Ritler vom BSV so stehen lassen. Generell sehen sie sich mit den verstärkten Bemühungen zur Arbeitsplatzerhaltung oder der Wiedereingliederung auf dem richtigen Weg. Für sie sind mehr Rentenzusprachen jedenfalls keine Lösung.

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