- Es war eine delikate Mission: Angestellte der islamistischen Taliban-Regierung reisten nach Genf. Dort identifizierten sie Landsleute.
- Das sollte den Weg frei machen für weitere Rückschaffungen von verurteilten Straftätern.
- Doch über zwei Monate später zeigt sich: Noch ist es zu keiner weiteren Ausschaffung gekommen.
Der Besuch hatte für Aufsehen gesorgt: Mitte August reisten vier Beamte der afghanischen Taliban-Regierung für zwei Tage nach Genf. Auf dem Flughafengelände sollten sie 13 Landsleute identifizieren – und so den Weg frei machen für deren Rückschaffung nach Afghanistan.
Mehr als zwei Monate später zeigt sich: Der delikate Besuch von Repräsentanten der islamistischen Taliban-Regierung hat bislang nicht gefruchtet. Sämtliche 13 Afghanen sind noch immer in der Schweiz. Das bestätigt das Staatssekretariat für Migration (SEM). Es handelt sich um elf verurteilte Straftäter und zwei freiwillige Rückkehrer.
SEM hält an Ausschaffungsplänen fest
Das SEM will auf Anfrage nicht auf die Gründe eingehen, weshalb die Rückschaffungen noch nicht stattgefunden haben. Im August hatte das SEM erklärt, die Identifizierung habe bei der Mehrheit der 13 Afghanen geklappt, es gehe nun weiter mit der Beschaffung von Reisedokumenten. An seinen Plänen hält das SEM weiterhin fest und geht laut eigenen Angaben davon aus, dass die Rückführungen dereinst durchgeführt werden können.
Justizminister Beat Jans hatte letztes Jahr festgelegt, dass afghanische Straftäter, die von Schweizer Gerichten des Landes verwiesen worden sind, nach Ablauf ihrer Gefängnisstrafe ausgeschafft werden sollen. Bei insgesamt rund zwanzig Straftätern steht die Rückführung allerdings noch immer aus – dazu gehören auch die elf in Genf identifizierten Afghanen. Lediglich fünf Personen wurden im Herbst 2024 ausgeschafft.
Taliban verlangen Identifizierung durch ihre eigenen Leute
Seither haben die Taliban laut SEM aber ihre Praxis geändert: Sie akzeptieren nur noch Reisedokumente, die von den Behörden in Kabul selbst ausgestellt worden sind – die afghanische Vertretung in der Schweiz ist nicht mehr zuständig. Deshalb war laut SEM der zweitägige Besuch von afghanischen Beamten aus Kabul im August nötig geworden. Unklar ist nicht nur, wie es mit den in Genf identifizierten Afghanen weitergeht: Offen ist auch, wann die übrigen verurteilten Straftäter ausgeschafft werden. Laut SEM gab es seit August keine weiteren Besuche afghanischer Vertreter in der Schweiz zwecks Identifizierung von Landsleuten.
Auch andere europäische Staaten haben mit Rückschaffungen nach Afghanistan begonnen – darunter Deutschland und Österreich, das letzte Woche erstmals einen verurteilten Straftäter nach Afghanistan abgeschoben hatte. Im Juli stimmte die deutsche Regierung der Stationierung von zwei afghanischen Konsularbeamten in Deutschland zu – diese sollten Rückführungsflüge unterstützen. Die Schweiz plant laut SEM keine solche Akkreditierung. Es sei auch kein entsprechendes Gesuch eingegangen.