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Über 1000 Bücher auf Rädern Luzern schickt eine fahrbare Stadtbibliothek in die Quartiere

In Luzern ist neu der erste Bibliobus der Deutschschweiz unterwegs. Dabei geht es aber um mehr als nur um Bücher.

Die Kinder lassen sich nicht lange bitten. Kaum ist die Seitentür des Kastenwagens aufgeschoben, stürmen sie herbei und drängen hinein, schnappen sich Comics, Bilderbücher und Detektivbände aus der Reihe «Die drei Fragezeichen».

Eine Gruppe Buben nimmt die gelbe Sofaecke in Beschlag, zwei Mädchen verkriechen sich mit ihren Büchern in einem der Tipi-Zelte, die draussen aufgestellt sind. Die 7-jährige Emilia sagt: «Ich würde am liebsten ein paar CDs ausleihen, denn ich höre mir jeden Tag mindestens drei an.»

Kinder schmöckern in Büchern im neuen Luzerner Bibliobus.
Legende: Ein Kastenwagen mit reichhaltigem Innenleben: Im Luzerner Bibliobus gibt es Lese- und Hörstoff für alle Altersgruppen. SRF/Christian Oechslin

Es ist der Bibliobus, der hier erstmals im Luzerner Säliquartier haltmacht – die erste fahrbare Filiale einer Stadtbibliothek in der Deutschschweiz.

Romandie kennt Bibliobusse schon seit 1960er-Jahren

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Bibliobus der Université populaire jurassienne.
Legende: Im Kanton Jura und im französischssprachigen Teil Berns unterwegs von Dorf zu Dorf: Bibliobus der Université populaire jurassienne. Bibliobus UP

Fahrbare Bibliotheken gibt es in anderen Ländern und auch in der Romandie schon länger. Bereits 1962 schickten die Genfer Bibliothèques municipales den ersten Bibliobus der Schweiz auf Achse; heute sind es vier Busse, die im Kanton Genf fast 40 Standorte regelmässig anfahren.

Auch in den Kantonen Neuenburg und Jura sind seit den 1970er-Jahren mehrere Bibliobusse unterwegs – eingerichtet wurden sie vor allem, um Menschen den Zugang zu Bibliotheken zu ermöglichen, die in kleinen Dörfern ohne eigene Bibliothek leben. 1980 lancierte auch die Stadt Lausanne einen Bibliotheksbus, der heute an 16 Stationen Halt macht.

Brocki-Bus in Zug und Bibliobahn im Appenzell

Ein Bücherbus war in der Deutschschweiz zwar auch schon unterwegs – von 2000 bis 2008 im Kanton Zug. Er war allerdings keine Bibliothek, sondern ein fahrendes Bücher-Brocki, mitinitiiert vom Zweckverband für Abfallbewirtschaftung.

Eine weltweite Seltenheit gab es von 1988 bis 2008 in der Ostschweiz: Dort war auf dem Netz der Apppenzeller Bahnen wöchentlich ein eigens umgebauter Bibliotheks-Bahnwagen unterwegs, der an diversen Bahnhöfen hielt. Als mehrere Gemeinden eigene Bibliotheken einrichteten, wurde die Bibliobahn eingestellt.

In wenigen Tagen nimmt er seinen regulären Betrieb auf. Er wird dann in einem Turnus sechs Plätze auf dem Gebiet der Stadt Luzern ansteuern und jeweils zwei Wochen dort bleiben. Im Laderaum über 1000 Bücher für alle Altersgruppen, CDs und «Tonie»-Hörfiguren. Ausserdem Bistrotischchen, Sitzsäcke und Tipi-Zelte.

Für viele ist der Weg zur Bibliothek zu weit

Luzern verfügt zwar bereits über eine gut ausgestattete Stadtbibliothek, untergebracht in einem Glasbau rund um das Bourbaki-Panorama. Abgesehen von einer kleineren Filiale in Littau – einem seit 2010 eingemeindeten Ortsteil – gibt es aber keine weiteren Standorte.

Das Bourbaki-Panorama Luzern mit der angebauten Stadtbibliothek.
Legende: Die Luzerner Stadtbibliothek: Zentral gelegen und gut bestückt – aber genutzt wird sie vor allem von Leuten, die in der näheren Umgebung wohnen. Keystone/Urs Flüeler

Das bedeutet: Viele der knapp 85'000 Menschen in Luzern müssen einen weiten Weg zurücklegen, wenn sie die Stadtbibliothek aufsuchen wollen. Und das tun längst nicht alle.

«Wir wissen, dass Leute, die nahe bei uns wohnen, viel öfter vorbeikommen als solche, die den Bus nehmen und vielleicht auch noch umsteigen müssen», sagt Tobias Schilling, stellvertretender Leiter der Stadtbibliothek.

Bibliobus soll auf Quartiere abgestimmt werden

Ein Ziel des Bibliobusses sei daher, so Schelling: «Wir wollen die Bibliothek vor die Haustür bringen.» Einerseits, um das Angebot der Stadtbibliothek bekannter zu machen – andererseits vor allem aber auch, um im Sinne der Chancengerechtigkeit möglichst vielen Menschen den Zugang zu Büchern und den anderen Medien zu ermöglichen.

Wir wollen die Stadtbibliothek vor die Haustür bringen.
Autor: Tobias Schelling Stv. Leiter Stadtbibliothek Luzern

Mit der Zeit soll der Bibliobus zudem so mit Medien bestückt werden, dass er den Bedürfnissen der einzelnen Quartiere besser entspricht.

«Heute wissen wir gar nicht so recht, wer unsere Angebote wie nutzt», sagt Tobias Schelling. «Das versuchen wir nun herauszufinden. Damit wir dann auf die lokalen Gegebenheiten besser eingehen können.»

Mobile Ausleihtheke beim Luzerner Bibliobus.
Legende: Es ist alles bereit für die Ausleihe: Tobias Schelling, stellvertretender Leiter der Luzerner Stadtbibliothek, an der mobilen Theke des Bibliobus. SRF/Christian Oechslin

Längst geht es bei Bibliotheken aber nicht mehr bloss darum, Bücher und CDs zu verleihen. Sie sind ein Ort geworden, an dem Studierende arbeiten können, wo Lesungen stattfinden, Diskussionsrunden oder Beratungen. Auch davon soll der Bibliobus etwas in die Quartiere der Stadt Luzern hinaustragen.

Die Bibliothek als Treffpunkt im Quartier

«Die Bibliothek ist zum sozialen Treffpunkt geworden, das Veranstaltungswesen hat an Bedeutung gewonnen», sagt Schelling. Rund 350 Veranstaltungen führt die Stadtbibliothek jedes Jahr durch – von Digitalberatungen über Workshops zum Manga-Zeichnen bis hin zu Erzählstunden in verschiedenen Sprachen.

Das wolle er nun auch in andere Stadtteile bringen, sagt Schelling. «Im besten Fall wird der Bibliobus ein Treffpunkt fürs Quartier.»

Klappstühle und BIstrotische vor dem Luzerner Bibliobus.
Legende: Klappstühle, Sitzsäcke, Tipi-Zelte – und ja, schon auch Bücher: Der Bibliobus soll in den Quartieren zum sozialen Treffpunkt werden. SRF/Christian Oechslin

Bei den Kindern im Luzerner Säliquartier kommt die neue fahrbare Bibliothek jedenfalls schon mal gut an. «Cool, dass es hier so viele verschiedene Bücher gibt», sagt Mio. «Ich komme hier sicher wieder mal hin.»

SRF 1, Regionaljournal Zentralschweiz, 27.04.2023; 17:30 Uhr ; 

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