Die Kinder lassen sich nicht lange bitten. Kaum ist die Seitentür des Kastenwagens aufgeschoben, stürmen sie herbei und drängen hinein, schnappen sich Comics, Bilderbücher und Detektivbände aus der Reihe «Die drei Fragezeichen».
Eine Gruppe Buben nimmt die gelbe Sofaecke in Beschlag, zwei Mädchen verkriechen sich mit ihren Büchern in einem der Tipi-Zelte, die draussen aufgestellt sind. Die 7-jährige Emilia sagt: «Ich würde am liebsten ein paar CDs ausleihen, denn ich höre mir jeden Tag mindestens drei an.»
Es ist der Bibliobus, der hier erstmals im Luzerner Säliquartier haltmacht – die erste fahrbare Filiale einer Stadtbibliothek in der Deutschschweiz.
In wenigen Tagen nimmt er seinen regulären Betrieb auf. Er wird dann in einem Turnus sechs Plätze auf dem Gebiet der Stadt Luzern ansteuern und jeweils zwei Wochen dort bleiben. Im Laderaum über 1000 Bücher für alle Altersgruppen, CDs und «Tonie»-Hörfiguren. Ausserdem Bistrotischchen, Sitzsäcke und Tipi-Zelte.
Für viele ist der Weg zur Bibliothek zu weit
Luzern verfügt zwar bereits über eine gut ausgestattete Stadtbibliothek, untergebracht in einem Glasbau rund um das Bourbaki-Panorama. Abgesehen von einer kleineren Filiale in Littau – einem seit 2010 eingemeindeten Ortsteil – gibt es aber keine weiteren Standorte.
Das bedeutet: Viele der knapp 85'000 Menschen in Luzern müssen einen weiten Weg zurücklegen, wenn sie die Stadtbibliothek aufsuchen wollen. Und das tun längst nicht alle.
«Wir wissen, dass Leute, die nahe bei uns wohnen, viel öfter vorbeikommen als solche, die den Bus nehmen und vielleicht auch noch umsteigen müssen», sagt Tobias Schilling, stellvertretender Leiter der Stadtbibliothek.
Bibliobus soll auf Quartiere abgestimmt werden
Ein Ziel des Bibliobusses sei daher, so Schelling: «Wir wollen die Bibliothek vor die Haustür bringen.» Einerseits, um das Angebot der Stadtbibliothek bekannter zu machen – andererseits vor allem aber auch, um im Sinne der Chancengerechtigkeit möglichst vielen Menschen den Zugang zu Büchern und den anderen Medien zu ermöglichen.
Wir wollen die Stadtbibliothek vor die Haustür bringen.
Mit der Zeit soll der Bibliobus zudem so mit Medien bestückt werden, dass er den Bedürfnissen der einzelnen Quartiere besser entspricht.
«Heute wissen wir gar nicht so recht, wer unsere Angebote wie nutzt», sagt Tobias Schelling. «Das versuchen wir nun herauszufinden. Damit wir dann auf die lokalen Gegebenheiten besser eingehen können.»
Längst geht es bei Bibliotheken aber nicht mehr bloss darum, Bücher und CDs zu verleihen. Sie sind ein Ort geworden, an dem Studierende arbeiten können, wo Lesungen stattfinden, Diskussionsrunden oder Beratungen. Auch davon soll der Bibliobus etwas in die Quartiere der Stadt Luzern hinaustragen.
Die Bibliothek als Treffpunkt im Quartier
«Die Bibliothek ist zum sozialen Treffpunkt geworden, das Veranstaltungswesen hat an Bedeutung gewonnen», sagt Schelling. Rund 350 Veranstaltungen führt die Stadtbibliothek jedes Jahr durch – von Digitalberatungen über Workshops zum Manga-Zeichnen bis hin zu Erzählstunden in verschiedenen Sprachen.
Das wolle er nun auch in andere Stadtteile bringen, sagt Schelling. «Im besten Fall wird der Bibliobus ein Treffpunkt fürs Quartier.»
Bei den Kindern im Luzerner Säliquartier kommt die neue fahrbare Bibliothek jedenfalls schon mal gut an. «Cool, dass es hier so viele verschiedene Bücher gibt», sagt Mio. «Ich komme hier sicher wieder mal hin.»