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Schweiz Übergriffe von Köln: «Dominanz und Macht spielen grosse Rolle»

Die Öffentlichkeit ist erregt wegen den Übergriffen in Köln – besonders weil es sich um Männer «vorwiegend nordafrikanischer Herkunft» gehandelt haben soll. Der forensische Psychologe Jérôme Endrass gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.

SRF News: Hat Gewalt an Frauen mit den Exzessen von Köln eine neue Dimension erreicht?

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Jérôme Endrass, Forensischer Psychologe, Amt für Justizvollzug Zürich.

Jérôme Endrass: Gewalt gegen Frauen ist leider viel alltäglicher als viele denken. Gemäss Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation wird jede dritte Frau irgendwann mal Opfer von einem sexuellen Übergriff.

Das Spezielle am Gewaltexzess in Köln war der Kontext und das Vorgehen. Während sich die meisten sexuellen Angriffe in den eigenen vier Wänden der Opfer ereignen, geschahen die Angriffe mitten in der Öffentlichkeit. Zudem waren sehr viele Personen daran beteiligt, was für sexuelle Übergriffe in Deutschland heutzutage sehr ungewöhnlich ist und es schien – gemäss den aktuellen Erkenntnissen – ein gewisses Ausmass an Koordination vorzuliegen.

Das Bild des triebgesteuerten Mannes stimmt nicht
Autor: Jérôme Endrass Forensischer Psychologe, Amt für Justizvollzug Zürich

Was bringt einen Mann dazu, sich an einer Frau sexuell zu vergehen?

Es gibt keinen allgemeingültigen Deliktmechanismus. Bei einigen Tätern spielen Dominanz und Macht eine grosse Rolle, bei anderen geht es darum, deviante Fantasien zu befriedigen. Eine weitere Gruppe tut dies, weil sie denken, dass Regeln und Normen für sie keine Gültigkeit haben und sie sich einfach das nehmen, was sie wollen. Dies ist nur eine kleine Auswahl an Risikofaktoren, denen wir in der Praxis begegnen.

Entscheidend sind hier zwei Punkte. Erstens: Der häufig angeführte «Trieb» spielt eine sehr geringe Rolle und wird von Sexualstraftätern gerne als Ausrede für ihr Verhalten angeführt. Zweitens: Es gibt auch nicht ein Allheilmittel um das Problem zu lösen, da es nicht den allgemeinen Risikofaktor gibt, der alles erklärt.

Welche Rolle spielt dabei das im Islam vorherrschende Frauenbild? Welche Rolle die Sozialisation in einem Milieu der unterdrückten Sexualität?

Wir sehen in der Praxis sehr viele Sexualstraftäter. Einige von ihnen haben ein Frauenbild und eine Vorstellung von der Sexualität, die problematisch sind. Frauen wird eine negative Rolle zugeschrieben und von der Sexualität verstehen sie sehr wenig bzw. verstehen Sexualität als etwas Unkontrollierbares.

Auch wenn diese Überzeugungen problematisch sind, gibt es trotzdem nur sehr wenige Sexualstraftäter, wo man zum Schluss gekommen ist, dass diese problematischen Überzeugungen das Deliktverhalten abschliessend erklären. Der Schlüssel liegt in der Regel in Auffälligkeiten in der Persönlichkeit, wo Eigenschaften wie z.B. Dominanz, Sadismus, Impulsivität, chronische Aggressivität etc. vorliegen und sehr viel mehr erklären.

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«Übergriffe von Köln – Zündstoff der Kulturen». Über dieses Thema diskutieren die Gäste im «Club» am Dienstag um 20.20 Uhr auf SRF 1.

Ist es denkbar, dass die Vorstellung der sexuellen Freizügigkeit im Westen die sexuell ausgehungerten Männer aus Nordafrika zu den Taten ermuntert haben könnte?

Vom Bild des sexuell ausgehungerten Mannes, der seine Triebe nicht zügeln kann und deshalb Frauen angreift, muss man sich verabschieden. Das ist so wissenschaftlich nicht haltbar. Die Bezugnahme auf die «sexuelle Freizügigkeit» überzeugt ebenfalls nicht. Es ist offensichtlich, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen, die nach Westeuropa einwandern, unsere Regeln des Zusammenlebens kennt und respektiert.

Wir müssen aber erklären, wieso sich einige, die nach Europa einreisen, so massiv kriminell verhalten. Vermutlich hat das kriminelle Verhalten sehr viel mehr mit Auffälligkeiten in der Persönlichkeit der Kriminellen als mit den «Verführungen» der westlichen Kultur zu tun.

Was sagen Sie verängstigten Frauen, die schon lange vor solchen Exzessen von «Zugewanderten» gewarnt haben?

Die Ängste muss man ernst nehmen. Das klingt übrigens einfacher als es getan ist, da das Thema irgendwann aus den Medien verschwinden wird, die Ängste aber bleiben werden. Es ist leider in diesem Kontext auch nicht hilfreich, wenn man darauf hinweist, dass das Risiko, Opfer eines sexuellen Übergriffs in der Öffentlichkeit zu werden, deutlich geringer ist, als Opfer eines sexuellen Übergriffs zu Hause zu werden.

Das einzige was uns bleibt, ist, dass wir Experten die Vorfälle konsequent sowie frei von ideologischen Scheuklappen aufarbeiten und die Öffentlichkeit über die gewonnenen Erkenntnisse informieren. Diese Vorgehensweise hat sich schon bei anderen forensischen Themen, die die Öffentlichkeit bewegten – wie z.B. Amok, School-Shootings – bewährt. Zur Aufklärungsarbeit gehört aber auch, dass wir kommunizieren müssen, was wir nicht wissen und zum gegenwärtigen Zeitpunkt fehlen schlicht die Informationen und Analysen um diese Gewaltexzesse schlüssig zu erklären.

Das Gespräch führte Bruno Meyer

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