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Umstieg vom Auto zum ÖV Teure Billette und uneinheitliche Tarife erschweren den Wechsel

Noch immer wird in der Schweiz überwiegend mit dem Auto gereist. Um Autofahrende zu ÖV-Kunden zu machen, braucht es neue Ticketmodelle. Auf Ende 2023 hat die ÖV-Branche eine erste Änderung angekündigt.

Wer das Auto gegen den ÖV eintauschen will, dem wird es aktuell nicht leicht gemacht. Vor der Fahrt im öffentlichen Verkehr muss intensiv über Zonen, Anschlussbilletts oder Geltungsdauer nachgedacht werden.

Das ärgert den eidgenössischen Preisüberwacher Stefan Meierhans. «Wir brauchen ein einfaches und günstiges Tarifsystem, sodass man intuitiv versteht, wofür man wie viel bezahlen muss.» Doch davon ist man heute weit entfernt.

Neues Preismodell gefordert

Je nach Tarifzone unterscheiden sich beispielsweise die Preise für Billetts. Dabei hat die Branche mit klaren Angeboten wie dem Halbtax oder dem Generalabonnement (GA) ihre grössten Erfolge gefeiert.

In der Schweiz wird fürs Reisen noch überwiegend das Auto genutzt. Das hat auch finanzielle Gründe, wie eine Auswertung des Preisüberwachers zeigt. Das private Autofahren wurde seit 1990 zwar teurer. Das Fahren mit den ÖV wurde aber noch teurer: Der Preis für ein GA stieg um rund 80 Prozent, das Retourbillett um fast 90 Prozent. «Der ÖV ist markant teurer als der motorisierte Individualverkehr», sagt Meierhans, «und das, obwohl die Politik will, dass mehr Leute mit dem ÖV unterwegs sind».

Autofahren wurde seit 1990 teurer, der öffentliche Verkehr aber noch teurer: GA + rund 80 %, Retourbillett + fast 90 %.
Legende: SRF

Autofahrende lassen sich zum Umsteigen bewegen, wie das Versuchsprojekt ÖV42 zeigt. Wer das eigene Auto stehen lässt, erhält für einen Monat lang ein Gratisabo für Bahn und Bus. Annina Sahli hat mitgemacht, ganz aufs Auto verzichten könne sie aber nicht. Bei Freizeitaktivitäten oder Familienausflügen im Winter nutze sie das Auto weiterhin: «Ich finde dies mit dem ÖV sehr kompliziert, auch mit den Kindern und dem Gepäck.»

Kräftige Anreize nötig

Nach dem Projektmonat ganz auf den ÖV umsteigen will Dominique Schweizer. Bislang ist er täglich mit dem Auto nach Bern zur Arbeit gefahren. «Ich hatte wie eine Barrikade im Kopf», sagt er. Er fürchtete sich davor, weniger unabhängig zu sein und an Flexibilität einzubüssen. Doch das sei nicht der Fall: «Mit den Verbindungen, die es gibt, muss ich sagen, gibt es in meinem Fall kein Argument, warum ich das Auto nehmen sollte.»

Es brauche kräftige Anreize, findet Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes: «Autofahren heisst nutzen ohne nachzudenken, es ist sehr bequem.» Die Branche müsse sich immer wieder Angebote einfallen lassen, sonst liessen sich routinierte Verkehrsverhalten nicht brechen.

Neues Abo ab Ende 2023

Tatsächlich tut sich etwas bei den Abos, zunächst auf Versuchsebene: Das Flexiabo wie in Freiburg wäre eine Art Generalabonnement an zwei oder drei Tagen pro Woche. Ein zweiter Versuch läuft in Form eines Guthabens auf dem Handy: Für 800 Franken kann man über ein Guthaben von 1000 Franken für Tickets verfügen und diese nach Bedarf damit lösen.

So ein Abo soll Ende 2023 schweizweit kommen, wie Alliance Swiss Pass, für die ÖV-Tarife in der Schweiz zuständig, bestätigt. Der ÖV sei im Vergleich zum Auto häufig günstiger, findet deren Geschäftsführer Helmut Eichhorn. Der Tarifdschungel werde gelichtet, verspricht er, und erwähnt aktuelle Lösungen: «Wir sind zum Beispiel das erste Land weltweit, das die automatische Reiseerfassung eingeführt hat.» Dies sei Beleg dafür, dass die ÖV-Branche vorwärtsmache.

Preisüberwacher Meierhans fordert trotzdem mehr Tempo: «Wenn man so lange wartet mit den Anpassungen an die neuen Lebensrealitäten, droht der Zug im wahrsten Sinne des Wortes abzufahren.»

10vor10, 22.11.2022, 21:50 Uhr

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