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Umstrittene Geschäfte Grossteil der Überwachungs-Technologie geht an heikle Abnehmer

  • Heute hat der Nationalrat einer Änderung des Güterkontrollgesetzes (GKG) zugestimmt.
  • Dieses soll dem Bundesrat mehr Kompetenzen bei der Regulierung von Überwachungsexporten geben.
  • Die Recherche von SRF zeigt nun, dass primär Länder mit schlechter Menschenrechtslage Interesse an den Gütern haben.

Pakistan, Kuwait, Indonesien, Vietnam und Katar: Diese Länder sind die Hauptkunden von Schweizer Überwachungstechnik seit 2014 – rund drei Viertel des bewilligten Exportvolumens fallen darauf. Das geht aus einer Liste von Bewilligungen hervor, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) den exportierenden Schweizer Firmen ausgestellt hat.

Insgesamt hat das Seco im Zeitraum von Anfang 2014 bis Mitte 2019 Überwachungs-Ausfuhren im Wert von rund 85 Millionen Franken bewilligt. Im selben Zeitraum wurden Exporte im Umfang von rund 1.5 Millionen Franken verweigert – weniger als zwei Prozent der Gesuche.

Nationalrat einstimmig für die Änderung

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Der Nationalrat hat die Änderung des Güterkontrollgesetzes einstimmig bei einer Enthaltung angenommen. Sämtliche Minderheitsanträge der vorberatenden Sicherheitskommission hat er abgelehnt. Die meiste Zustimmung erhielt ein Antrag der Minderheit Flach (GLP/AG) mit 88 zu 104 Stimmen und zwei Enthaltungen. Diese wollte das Repressionskriterium als Verweigerungsgrund in das Güterkontrollgesetz übernehmen.

Dass die Schweiz im Bereich solcher Exporte zu den Spitzenreitern gehört, legt der Vergleich mit Deutschland nahe: Dort wurden seit 2015 lediglich Güter im Umfang von 26 Millionen Euro exportiert, wie die Tagesschau berichtete .

Personen orten, Internetverkehr überwachen

Mindestens 60 Millionen Franken der Bewilligungen betreffen sogenannte IMSI-Catcher. Mit den Geräten, die in gewissen Ausführungen auch in einer Handtasche Platz haben, lassen sich Personen kleinräumig orten, Gespräche abhören und Mobilfunksignale stören. Ein kleinerer Teil der Exporte betrifft Geräte zur Internet-Überwachung, womit der Internetverkehr beispielsweise auf verdächtige Schlagworte durchsucht werden kann, und Decodier-Geräte für Funksignale.

Der Export dieser invasiven Technologie in die erwähnten Länder wirft Fragen auf. Aus Vietnam ist beispielsweise in jüngsten Jahren eine verstärkte Repression gegen Aktivisten und Blogger, insbesondere im Cyberspace, zu beobachten. Das Land wird von der NGO «Reporter ohne Grenzen» gemäss Medienberichten als «Feind des Internets» bezeichnet – und als das «drittgrösste Gefängnis für Online-Dissidenten und Blogger, nach China und dem Iran».

Diesen Firmen wurde der Export verweigert

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In den Daten, die SRF vorliegen, finden sich acht unterschiedliche Schweizer Firmen. Betroffen von Exportverweigerungen seitens des Seco sind jedoch ausschliesslich die Firmen Neosoft AG und Wavecom Elektronik AG. Auf diese beiden entfällt fast ein Drittel der Exportbewilligungen.

Neosoft AG

Die Zürcher Firma Neosoft AG, deren Verwaltungsrat ausschliesslich aus russischen Staatsangehörigen besteht, versuchte 2014, IMSI-Catcher an eine paramilitärische und für Morde und Entführung berüchtigte Spezialeinheit in Bangladesch zu verkaufen, wie die WOZ berichtete . Das Seco stoppte den Export und verzeigte die Firma bei der Bundesanwaltschaft, die das Verfahren jedoch später einstellte.

2019 geriet eine Firma, die laut Handelsregister an der gleichen Adresse domiziliert ist und den gleichen Verwaltungsratspräsidenten hat, wegen eines anderen unbewilligten Güterexports in das Visier der Bundesanwaltschaft, wie SRF herausfand .

2015 und 2016 stoppte das Seco den Export von Neosoft-Gütern in die Türkei, nach Bangladesch und nach Vietnam.

Wavecom Elektronik AG

Auch der in Bülach ansässigen Wavecom Elektronik AG verweigerte das Seco 2016 und 2017 mehrere Exporte nach Thailand und in die Türkei. Gegen eine Verfügung bezüglich der Türkei opponierte die Firma vor Bundesverwaltungsgericht, unterlag dort jedoch .

2015 war die Firma in einen Spionagefall verwickelt , der über mehrere Monate für Schlagzeilen sorgte.

Auch in Indonesien werden Bürgerrechtler, NGOs und religiöse Minderheiten überwacht. Dies beschreibt ein Bericht der NGO «ELSAM» zusammen mit Privacy International aus dem Jahr 2016. SRF berichtete 2018 über einen Export von IMSI-Catchern nach Indonesien . Nun ist klar, dass dahinter die Firma Neosoft AG steckt, die bereits 2014 im Visier der Bundesanwaltschaft war (siehe Box oben).

Grünen-Nationalrätin: «Das ist ein Skandal»

Exporte von Überwachungsgütern beschäftigen aktuell auch den Nationalrat. Er stimmt heute darüber ab, ob eine bundesrätliche Verordnung aus dem Jahr 2015 permanent in das Güterkontrollgesetz (GKG) übernommen werden soll.

Die Verordnung verbietet solche Geschäfte, wenn Grund zur Annahme besteht, dass sie vom Endempfänger als Repressionsmittel verwendet werden. In dem Vorschlag der vorberatenden Sicherheitskommission steht nun lediglich, dass der Bundesrat künftig die Verweigerung des Exports dieser Güter regelt. Das Repressionskriterium wurde nicht übernommen.

Das sagt das Seco zur Recherche

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Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist zuständig für die Bewilligung der Exporte von sogenannten Dual-Use-Gütern, worunter auch Güter zur Internet- und Mobilfunküberwachung fallen.

Die Liste des Seco umfasst exportierende Unternehmen, Exportvolumen, Abnehmerländer und Güterkategorien für bewilligte sowie abgelehnte Geschäfte. SRF hat das Dokument gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz herausgefordert. Ob die bewilligten Exporte effektiv durchgeführt wurden, geht aus der Liste nicht hervor.

Auf Anfrage schreibt das Seco: «Gesuche werden im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen des EDA, des VBS, des Uvek sowie nach Anhörung des Nachrichtendienstes entschieden. Kommt keine Einigung zustande, so entscheidet der Bundesrat auf Antrag des WBF.»

Man verlange für die Bewilligungen unter anderem eine Endverbleibserklärung mit der Auflage der nichtrepressiven Verwendung. Das Seco schreibt aber auch: «Ein Restrisiko einer missbräuchlichen Verwendung kann bei allen bewilligungspflichtigen Gütern nie ganz ausgeschlossen werden.»

Daran stört sich Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter (ZH). Sie ist Mitglied der Kommissionsminderheit, die das Repressionskriterium ins Gesetz aufnehmen möchte. Der Export von Gütern, bei denen man von Missbrauch ausgehen müsse, sei ethisch problematisch.

Zur Recherche von SRF sagt sie: «Das ist ein Skandal. Genauso, wie es selbstverständlich ist, dass Rüstungsmaterial nicht in Bürgerkriegsländer geliefert wird, muss es selbstverständlich sein, dass unsere Technologien nicht in Länder exportiert werden, wo man davon ausgehen muss, dass damit die Grundrechte verletzt werden oder Repression ausgeübt wird.»

«Gesetz nicht noch mehr mit ‹Bauchkriterien› überladen»

SVP-Nationalrat Thomas Hurter (SH) sieht in den Exporten an die erwähnten Staaten grundsätzlich kein Problem. «Wir haben in der Schweiz eine sehr stark ausgebaute Gesetzgebung, die den Vergleich mit ausländischen Gesetzgebungen durchaus standhält.»

Eine Gruppe vietnamesischer Polizisten
Legende: Vietman – im Bild eine Gruppe Polizisten – gehört zu den Hauptabnehmern von Schweizer Überwachungstechnik. Keystone

Ein zahlenmässiger Vergleich mit Deutschland sei aber nicht zielführend, da jedes Land bei der Exportkontrolle seine eigene Bewilligungspraxis habe. Und: «Die Bewilligungen werden immer auf den Endempfänger – nicht auf ein Land – ausgestellt.» Auf den Endempfänger und die Endverwendung komme es letztlich an, was vom Bund gründlich geprüft werde.

In der Ergänzung des Güterkontrollgesetzes mit dem Repressionskriterium, wie es die Kommissionsminderheit gefordert hatte, sieht er keinen Nutzen. Im Gegenteil: «Damit wird Tür und Tor geöffnet, das Gesetz noch mehr mit solchen schlecht definierten ‹Bauchkriterien› zu überladen.»

Tagesschau, 3.3.2020, 19:30 Uhr

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