Die Kreisschule Reinach-Leimbach ruft ihre Schülerinnen und Schüler dazu auf, auf dem gesamten Schulareal nur noch Mundart oder Hochdeutsch zu sprechen.
In der Gemeinde im Süden des Kantons Aargau erhielten die Eltern nach den Herbstferien einen Brief, der den Entscheid ankündigte. «Helfen Sie Ihrem Kind, möglichst gut Deutsch zu lernen», heisst es darin.
Anlass seien konkrete Fälle gewesen, bei denen Kinder untereinander eine Fremdsprache gesprochen hätten, so der Schulleiter gegenüber der «Aargauer Zeitung».
Soziale Mobilität soll gestärkt werden
Der Ausländeranteil in der Gemeinde Reinach ist mit über 40 Prozent einer der höchsten im Kanton. Obwohl andere Gemeinden aber auf ähnliche Werte kommen, geht man nirgendwo so weit wie die Kreisschule Reinach-Leimbach. Was also macht die Situation im Dorf mit rund 9000 Einwohnerinnen und Einwohnern aus?
Gesamtschulleiter Hanspeter Draeyer erklärt, dass viele seiner Schülerinnen und Schüler ihren gesamten Alltag in einer Fremdsprache absolvieren könnten. «Dieses Problem haben andere Gemeinden nicht.» Viele gerieten aufgrund eines sprachlichen Rückstands schulisch ins Hintertreffen.
Mit ihrer Massnahme will die Schulleitung die Chancengleichheit erhöhen. Kinder, die nur ungenügend Deutsch sprechen, hätten es später schwerer auf dem Arbeitsmarkt. Inwiefern aber können solche Massnahmen helfen, die Deutschkenntnisse zu verbessern?
Expertinnen und Experten der Universität Genf, des Forschungsinstituts Infras sowie der Pädagogischen Hochschule St. Gallen haben im Auftrag des Bundes die weltweite Forschungslage zum Thema zusammengefasst. Ihr Fazit: Es nützt bereits, wenn ein Kind wenige Tage pro Woche mit deutschsprachigen Angeboten betreut wird. Allerdings müssen solche Bildungsangebote bereits früh – konkret im Alter von zwei bis vier Jahren – ansetzen.
Massnahme kann diskriminierend sein
Spricht ein Kind mehrere Sprachen, hat dies allerdings nicht zwingend eine negative Auswirkung auf dessen Entwicklung. Für Franziska Vogt von der Pädagogischen Hochschule St. Gallen, die die Studie geleitet hat, ist klar: «Für Kinder ist der Gebrauch beider Sprachen normal, dabei passieren spontane, schnelle Wechsel. Für die Sprachentwicklung ist dies nicht problematisch.»
Versuche, diese Mehrsprachigkeit zu unterbinden, könnten hingegen kontraproduktive Folgen haben.
Das sieht auch Alexander Grob von der Universität Basel so. Er war massgeblich an der Erarbeitung des Fragebogens, mit dem der Kanton Basel-Stadt seit 2013 die Deutschkenntnisse von Kindern vor der Einschulung misst, beteiligt.
Grob und Vogt mahnen an, dass die Massnahme zu Diskriminierung führen kann: «Man stelle sich vor, ein Kind spricht kein Deutsch. Dieses würde faktisch aus dem sozialen Leben ausgeschlossen, mit unbekannten Folgen für seine sozial-emotionale Entwicklung», so Grob.
Schulleitung glaubt an Erfolg
Auch die Lehrerinnen und Lehrer im Kanton Aargau stehen dem Verbot kritisch gegenüber. Kathrin Scholl, Präsidentin des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, zweifelt nicht zuletzt an der Umsetzbarkeit der Massnahme. Stattdessen solle die Frühförderung der deutschen Sprache gestärkt werden.
Vor Ort hat die neue Regelung noch für wenig Aufregung gesorgt. Schon heute würden sie meist Deutsch untereinander sprechen, sagen gleich mehrere Kinder beim Besuch von «Schweiz aktuell» in der fünften Klasse.
So erklärt die Kreisschule die Massnahme
Bei der Schulbehörde zeigt man sich denn auch optimistisch. «Wir sind überzeugt, dass die Massnahmen nützen», so Schulleiter Draeyer. Im neuen Jahr wolle man den Erfolg der Massnahme eruieren.