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Neue Empfehlungen – Fünf häufige Therapien in der Kritik
Aus Puls vom 26.04.2021.
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Umstrittene Therapien Sind wir übertherapiert?

Ein regelmässiger Gesundheitscheck oder eine schnelle Eiseninfusion – einige schwören darauf, das Gesundheits-Fachgremium «Smarter Medicine» prangert sie an.

2019 wurden in der Schweiz 10 Millionen Franken für Eisentabletten und Tropfen ausgegeben. Für Eiseninfusionen lagen die Kosten bei satten 62 Millionen Franken. Doch viele der Infusionen seien unnötig, so die Ärztinnen und Ärzte von «Smarter Medicine». In ihrer neuesten Top-5-Liste kritisieren sie Therapien, «welche zu wenig oder nicht die erhoffte Wirkung zeigen oder bei welchen die Nebenwirkungen stärker sind».

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Stefan Neuner-Jehle: «Die Wirkung ist bei einigen Behandlungen nicht wie erhofft.»
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Für die Liste hat «Smarter Medicine» über 1000 Hausärztinnen und Hausärzte in der Schweiz gefragt, welche Behandlungen sie als nutzlos oder gar schädlich ansehen.

Weniger ist mehr

Die Devise: Weniger ist mehr. Eine optimale Patientenversorgung bedeute nicht eine maximale Patientenversorgung. Die Über- und Fehlversorgung in der Schweiz sei problematisch: 20 bis 30 Prozent der Behandlungen seien unnötig.

Um diese Überversorgung anzugehen, veröffentlicht der Verein regelmässig solche Listen mit Top-5-Therapien, deren Nutzen sie infrage stellen – seien dies Behandlungen im Spital oder beim Hausarzt. Ziel: Die Öffentlichkeit sensibilisieren. Denn manchmal bedeute weniger Medizin mehr Lebensqualität.

Über «Smarter Medicine»

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In der Schweiz wurde die Initiative «Smarter Medicine» 2014 lanciert, angelehnt an eine amerikanische Initiative.

Der Trägerverein «Smarter Medicine - Choosing Wisely Switzerland» will auf Fehl- und Überversorgung in der Medizin aufmerksam machen.

Hier finden Sie mehr Informationen.

Kritik am Therapie-Pranger

An Kritik an diesem Therapie-Pranger mangelt es nicht.

So auch bei der Eiseninfusion: «Smarter Medicine» rät auf der aktuellen Liste dringend, es zuerst mit Eisentabletten oder Tropfen zu probieren, ehe es an die Infusion geht.

Der Arzt Claudio Lorenzet glaubt nicht daran, dass mehr Tabletten-Therapien zielführend sind. «Manche nehmen monatelang Tabletten, bekommen Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall.»

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Claudio Lorenzet: «Einige nehmen die Tabletten monatelang, bekommen davon Bauchweh, Verstopfung und Durchfall.»
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Auch die anderen Therapien auf der Top-5-Liste sind umstritten: Regelmässige Vorsorge-Gesundheitschecks könne man sich zum Beispiel sparen, wenn man keine Symptome habe. «Smarter Medicine» spricht hier von der Gefahr einer ‹Überdiagnostik› – Abklärungen können auch zu viel des Guten sein und zu falsch positiven Resultaten führen.

Für Check-up-Zentren, welche solche Vorsorgeuntersuchungen anbieten, ein Schlag ins Gesicht. «Wir alle haben eine Vorgeschichte, eine gewisse genetische Vorbelastung oder Risikoverhalten», so die Ärztin Anna Erat, welche solche Vorsorgeuntersuchungen durchführt. Diese Check-ups seien sinnvoll für die langfristige Gesundheit.

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Anna Erat: «Wir alle haben eine Vorgeschichte, eine genetische Vorbelastung.»
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Die Meinungen zu nötigen oder unnötigen Therapien klaffen also weit auseinander. Lars Clarfeld, der Geschäftsführer von «Smarter Medicine», spricht von einem nötigen Kulturwandel: «Wenn die Wissenschaft zeigt, dass die Therapie keinen Mehrwert bringt, wollen wir Überversorgung und Fehlbehandlung vermeiden. Das möchten wir anstossen, doch das braucht seine Zeit.»

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Lars Clarfeld: «Es ist ein Kulturwandel. Es braucht seine Zeit alle zu überzeugen.»
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Das Beispiel der Eiseninfusionen zeigt: Die Behandlung ist auch mit hohen Kosten verbunden. Laut Clarfeld gehe es dabei aber weniger ums Geld, das man sich sparen könne: «Unser Fokus liegt darauf, die Behandlungsqualität zu verbessern.» Kosteneinsparungen seien aber ein positiver Nebeneffekt.

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Lars Clarfeld: «Kosten zu sparen ist nicht unserer primärer Fokus.»
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Ob die Therapien auf den Top-5-Listen in Zukunft seltener werden, ist bei den vielen kritischen Stimmen fraglich. Die angeprangerten Therapien sorgen auf jeden Fall für Gesprächsstoff. Und: Indem Patientinnen und Patienten sensibilisiert werden, erhalten sie auch die Chance, Behandlungen zu hinterfragen und informierter zu entscheiden. Im Zweifelsfall lohnt es sich, mit der Hausärztin oder dem Hausarzt zu sprechen.

Puls, 26.04.2021, 21:05 Uhr

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