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Umstrittenes Fahndungsmittel Ermittler sollen DNA-Spuren gezielt auswerten dürfen

Die DNA-Phänotypisierung liefert Rückschlüsse auf Aussehen und Herkunft des Täters. Das will der Bundesrat nun erlauben.

Der Vergewaltigungsfall von Emmen/LU sorgte landesweit für Schlagzeilen – und er zeigt exemplarisch Grenzen und Möglichkeiten von DNA-Analysen als Fahndungswerkszeug: Am 21. Juli 2015 reisst ein Unbekannter eine junge Frau vom Velo und vergewaltigt sie auf brutale Weise. Das Opfer ist bis heute querschnittsgelähmt. Die Fahndung blieb erfolglos – trotz eines DNA-Massentests an 372 Männern.

Allerdings: Eine vertiefte Analyse der DNA-Tests, wie sie etwa in den Niederlanden seit längerem erlaubt ist, würde Rückschlüsse auf das Aussehen des Täters erlauben. Dies ist aber in der Schweiz verboten: Heute darf aus einer DNA-Spur nur das Geschlecht einer Person bestimmt werden.

DNA-Test
Legende: Mit der sogenannten «DNA-Phänotypisierung» können Augen-, Haar- und Hautfarbe bestimmt werden oder aus welcher Weltregion ein Täter stammt. Auch kann das Alter eruiert werden. Keystone

Eben diese vertiefte Analyse der Täter-DNA will der Bundesrat nun erlauben: Die Strafverfolgungsbehörden sollen künftig mehr Informationen aus einer DNA-Spur herauslesen dürfen.

Damit werde eine «ermittlungstechnische Lücke» gefüllt, erklärte Bundesrätin Karin Keller-Sutter vor den Medien in Bern: «Damit können Täter überführt werden, aber auch unschuldige Personen entlastet werden.» Zusammen mit Zeugenaussagen oder Auswertungen aus digitalen Daten ergebe dies ein «schärferes Bild» einer Person.

Nur bei schweren Verbrechen

Das Gesetz von 2005 habe nicht mit den erheblichen Fortschritten der Wissenschaft Schritt gehalten. Es sei angezeigt, die neuen Entwicklungen für die Strafverfolgungsbehörden nutzbar zu machen: «Das entspricht auch dem Auftrag des Parlaments», so die Justizministerin.

Fördern die Methoden Rassismus?

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Der Soziologe und Biologe Tino Plümecke forscht an der Universität Freiburg im Breisgau zu Rassismus und Diskriminierung in der Polizeiarbeit. Er hat sich intensiv mit den neuen DNA-Analysen beschäftigt – und ist skeptisch: «Die Einteilung von Menschen in spezifische Gruppen – Ethnie, Hautfarbe, Herkunft, Religion – ist in aller Regel sehr aufgeladen», sagt er gegenüber SRF News.

Plümecke sieht die Gefahr, dass solche neuen DNA-Methoden Rassismus fördern können. «In der Öffentlichkeit und insbesondere bei Rechten werden Konzepte wie die bio-geografische Herkunft sehr klar als Rasse gelesen, was sie aber in der Regel nicht sind.» Plümecke befürchtet, dass gerade bei Kriminalfällen mit grosser medialer Breitenwirkung eine Minderheitengruppe unter Generalverdacht geraten könnte.

Die Methode soll nur bei schweren Verbrechen angewendet werden, konkret bei Straftatbeständen, welche mit Freiheitsstrafen von drei Jahren oder mehr bestraft werden – wie beispielsweise Vergewaltigung, Mord, schwerer Raub oder Geiselnahme.

Bei Vergehen wie etwa Sachbeschädigung steht das Verfahren nicht zur Verfügung. Die Phänotypisierung muss durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Das Analyseergebnis darf nur für die Ermittlungen in einem konkreten, aktuellen Fall verwendet werden und wird nicht in der DNA-Datenbank gespeichert.

Die Gesetzesänderung stösst auch auf Widerstand. Die Gegner geben zu bedenken, dass Täter sich die Haare färben und mit Linsen die Augenfarbe ändern können. Auch warnen sie vor falschen Verdächtigungen: Suche die Polizei einen Mann mit blauen Augen und braunen Haaren, seien plötzlich alle Männer mit blauen Augen und braunen Haaren verdächtig.

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