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Umweltskandal in Bern Fischsterben im Blausee: Haben die Behörden versagt?

  • Die Blausee AG hält illegal deponierten Schotter für die Ursache mehrerer Fischsterben im Blausee.
  • Sie erhebt Vorwürfe gegen die Behörden: «Wir hätten nie gedacht, dass so etwas in der Schweiz möglich ist.»
  • Regierungsrat Christoph Neuhaus wehrt sich: Der Kanton Bern habe beschränkte Ressourcen für Kontrollen. Die Baufirmen hätten nicht «anständig» gearbeitet.

Die Blausee AG erhebt schwere Vorwürfe gegen die bernischen Behörden: «Was uns beunruhigt, ist der Umstand, dass seit drei Monaten alle Behörden informiert sind», so Stefan Linder, Verwaltungsratspräsident der Blausee AG. Doch aus seiner Sicht ist von Seite des Kantons bisher viel zu wenig passiert.

Linder sagt, er hätte so etwas in der Schweiz nie für möglich gehalten. «Ich habe immer gedacht, dass es ganz viele Gesetze gibt, die uns schützen.» Das Trinkwasser sei eines der wichtigsten Güter dieses Landes, betont er gegenüber der «Rundschau».

Illegal belasteten Schotter deponiert

Die Blausee AG hat seit 2018 mit mehreren Fischsterben zu kämpfen. Im Steinbruch oberhalb des Sees wurden 1000 Tonnen mit Schwermetallen und Giftstoffen belasteter Altschotter illegal deponiert. So sind mutmasslich Schadstoffe ins Grundwasser gelangt.

Der belastete Schotter aus dem Lötschbergtunnel wird bis heute auf dem Steinbruch-Gelände offen umgeladen und zwischengelagert. Der Kanton Bern will dies noch bis Ende September tolerieren. Für Linder ist das unverständlich.

Nicht wie im Wilden Westen vorgehen

«Wir haben es nicht verpennt», wehrt sich Jacques Ganguin, Vorsteher des Berner Amts für Wasser und Abfall, gegen die Vorwürfe. Doch der Staat sei an verwaltungsrechtliche Prinzipien gebunden. «Wir können uns nicht wie Sheriffs im Wilden Westen bewegen.» Der Staat könne nicht wegen eines Verdachts von heute auf morgen etwas beenden.

Sein Amt habe die Vorfälle aber ernst genommen. So habe der Kanton im Sommer verfügt, dass das illegal gelagerte Material wieder ausgebaggert werden müsse.

Darum ist das Material so gefährlich

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Es handelt sich hier um sogenannte PAK. PAK sind polyziklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Einige von ihnen sind krebserregend. Bei den Messungen auf dem Kieswerk beim Blausee hätte gemäss Stefan Linder, eine 424'000-fache Überschreitung des Grenzewerts bei eben diesen PAK stattgefunden.

Ganguin betont, von der heutigen Situation gehe aus Sicht der Behörden keine akute Umweltgefährdung aus. «Das Restrisiko ist akzeptabel.» Deshalb werde das offene Umladen und Zwischenlagern des belasteten Schotters toleriert.

AG fühlt sich nicht ernst genommen

Stefan Linder hat das Gefühl, gegen eine Wand zu rennen: Für den Verwaltungsratspräsidenten der Blausee AG ist unverständlich, dass eine derart grosse Baustelle nicht besser kontrolliert wird. Zumal tonnenweise mit heiklen Stoffen belastetes Material anfalle. Linder fordert eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls.

Der Berner Bau- und Verkehrsdirektor Christoph Neuhaus sagt im Interview, er habe zu wenig Personal, um in jeder der 130 Kiesgruben im Kanton Kontrollen zu machen.

Mit der Tunnel-Sanierung sei ein angesehener Konzern betraut: «Man kann davon ausgehen, dass ein renommiertes Bauunternehmen, das Erfahrung und Fachleute hat, das anständig macht», sagt der Regierungsrat. Vieles in der Gesellschaft basiere auf Vertrauen. «Hier wurden wir eines Besseren belehrt.»

Kanton will Lehren aus der Geschichte ziehen

Das Bauunternehmen habe das falsch deponierte Material wieder ausheben und abtransportieren müssen. «Das hat sie entsprechend gekostet», sagt Neuhaus. Zudem habe die Firma nun schlechte Presse.

Seine Direktion werde ihre Lehren ziehen bei der nächsten Grossbaustelle dieses Unternehmens: «Das nächste Mal gibt es Kontrolle – und nicht mehr Controlling. Wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, dann kontrolliert man besser», so der Berner Regierungsrat.

Rundschau, 16.09.2020, 20:05 Uhr

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