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Ungelöster Fall Neuer Fahndungsaufruf 16 Jahre nach Tötungsdelikt in Allschwil

16 Jahre nach der Tötung einer Frau rufen die Baselbieter Strafverfolger die Bevölkerung erneut zur Mithilfe auf.

16 Jahre nach der Tötung einer damals 31-jährigen Frau rufen Polizei und Staatsanwaltschaft des Kantons Baselland die Bevölkerung jetzt noch einmal zur Mithilfe auf. Auslöser sind neue Erkenntnisse, die dazu beitragen könnten, den Täter zu ermitteln.

Er kann auch ein angepasstes Leben damals gehabt haben, hat aber auf der anderen Seite Gewalt-Phantasien und Tötungs-Phantasien, mit denen er auch wahrscheinlich regelmässig bei Prostituierten war. Das ist für uns jetzt ein Ansatz zu sagen: Vielleicht erinnert sich jetzt jemand an so jemanden.
Autor: Alexander Horn Kriminalrat beim Polizeipräsidium München – beigezogener Profiler

Eine Joggerin hatte am Samstag, 2. September 2006, an einem Waldweg in Allschwil BL unweit der Gemeindegrenze zu Oberwil BL die unbekleidete Leiche der Frau gefunden. Rasch war klar, dass es sich um eine Brasilianerin handelte, die seit zehn Jahren in Basel gelebt und unter dem Szene-Namen Ana Paula als Strassenprostituierte gearbeitet hatte.

Eine 20-köpfige Sonderkommission mit Beamten aus Baselland und Basel-Stadt bearbeitete den Fall, der damals grosse Schlagzeilen machte. Trotz zahlreichen Hinweisen und DNA-Spuren wurde die Täterschaft bis heute jedoch nicht gefasst.

Task-Force «Cold Case» kümmert sich um den Fall

Um ältere ungeklärte Kapitalverbrechen kümmert sich im Baselbiet eine «Task-Force Cold Case» mit aktuellen wissenschaftlichen Methoden der Forensik, Psychologie und Rechtsmedizin – manches davon stand 2006 noch nicht zur Verfügung. Diese Task-Force hat den Fall «Ana Paula» neu aufgerollt und dazu rund 5700 Seiten Verfahrensakten nochmals durchgeackert.

Überdies haben Staatsanwaltschaft und Polizei in diesem Fall Experten der Polizei München beigezogen, für eine «operative Fallanalyse». Diese Kooperation hat nun zu neuen Erkenntnissen geführt.

Operative Fallanalyse

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Die Medienmitteilung der Baselbieter Behörden definiert die Operative Fallanalyse (OFA) so: «Bei einer OFA handelt es sich um ein kriminalistisches Werkzeug, welches das Fallverständnis auf der Grundlage objektiver Daten und möglichst umfassender Informationen zum Opfer mit dem Ziel vertieft, ermittlungsunterstützende Hinweise zu erarbeiten. Im Zentrum der Analyse steht die Rekonstruktion des Tathergangs, die sich an der objektiven Spurenlage orientiert. Aus dem so erkannten Täterverhalten werden fallspezifische Aussagen abgeleitet. Bei den so abgeleiteten Hypothesen handelt es sich um Wahrscheinlichkeitsaussagen auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Fallanalyse bestehenden Datenbasis.»

Aus der operativen Fallanalyse der Münchner Spezialisten ist ein wahrscheinliches Täterprofil entstanden, das nun für die neue Fahndung der Öffentlichkeit präsentiert wird:

Der Täter soll zum Tatzeitpunkt 25 bis 35 Jahre alt gewesen sein, heute also 40 bis 50 Jahre alt sein. Er könne aus der Schweiz oder dem angrenzenden Ausland stammen. Er soll nicht nur den Ort gekannt haben, wo er die Leiche deponierte, sondern auch das Milieu des Basler Strassenstrichs. So sei umgekehrt ebenfalls anzunehmen, dass er in diesem Milieu bekannt sei und möglicherweise auch schon Konflikte mit anderen Prostituierten hatte.

Die Profiler gehen weiter davon aus, dass der Täter ein geregeltes und unauffälliges Leben führt. Vielleicht lebe er in einer Beziehung, aber es mangle ihm deutlich an Empathie. Er sei wohl ein Psychopath mit manipulativem Verhalten und konsumiere gewaltverherrlichende Pornografie. Denkbar sei zudem, dass er im Herbst 2006 nach der Tat sein Auto verkauft habe.

Fest steht, dass das Opfer erdrosselt oder erwürgt wurde. Nur zwei Stunden, bevor die Leiche am Rand der Oberwilerstrasse im Allschwiler Wald gefunden wurde, war die Frau noch in Basel an ihrer Wohnadresse lebend gesehen worden. Angesichts dieser kurzen Zeitspanne nehmen die Fahnder an, dass der Täter nicht im Affekt gehandelt, sondern die Tötung geplant habe.

Für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, setzten die Baselbieter Behörden kurz nach der Tat eine Belohnung von 5000 Franken aus. Jetzt ist diese Belohnung auf 20'000 Franken vervierfacht worden. Auch das könnte Personen aus dem Umfeld des Täters – etwa Prostituierte oder eine Ex-Partnerin – jetzt doch zu einer Aussage bewegen.

«Aktenzeichen XY ungelöst...»

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TV-Moderator
Legende: ZDF-Moderator Rudi Cerne im Studio der Sendung «Aktenzeichen XY ungelöst...» Keystone/DPA/Sina Schuldt (Archivbild)

Von den Kriminalfällen, die in der TV-Sendung «Aktenzeichen XY ungelöst...» vorgestellt werden, konnten rund 40 Prozent in der Folge gelöst werden. Die Fälle werden aufwändig nachgestellt mit dem Ziel, vom breiten Fernsehpublikum neue Hinweise auf eine Täterschaft zu erhalten. Die Sendung, damals ein völlig neues Format, war am 20. Oktober 1967 zum ersten Mal ausgestrahlt worden. 30 Jahre lang moderierte sie Eduard Zimmermann, der sich damit als «Ganoven-Ede» einen Namen machte. Das Schweizer Fernsehen wirkte 1969 bis 2003 mit, das österreichische 1968 bis 2002. Bei SRF wird die Sendung seit 2003 nicht mehr ausgestrahlt. Grund für den Ausstieg der Schweiz war, dass keine Schweizer Fälle und Themen mehr behandelt worden seien und deshalb das Publikumsinteresse stark gesunken sei.

Neben der Schweiz suchen die Baselbieter Behörden Zeugen auch international im Fernsehen: Der Aufruf soll in der Sendung «Aktenzeichen XY ungelöst...» am Mittwoch, 9. November, um 20:15 Uhr im Zweiten Deutschen Fernsehen ZDF verbreitet werden.

Regionaljournal Basel, 07.11.2022, 12:05 und 17:30 Uhr

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