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Unschuldig vor Gericht – Chefin schikaniert Ex-Mitarbeiterinnen
Aus Kassensturz vom 19.03.2019.
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Unschuldig vor Gericht Chefin schikaniert Ex-Mitarbeiterinnen

Eine Hebamme zerrt ehemalige Mitarbeiterinnen zu Unrecht vor Gericht. Diese bleiben auf den hohen Anwaltskosten sitzen.

Versetzen Sie sich in diese Lage: Sie haben einen dreimonatigen Arbeitsvertrag. Sie spüren, dass im Geschäft irgendetwas faul läuft mit Ihrer Chefin. Deshalb ziehen Sie nach drei Monaten einen Schlussstrich.

Dann geht es los: Die Ex-Chefin schickt Ihnen eine Rechnung über 62‘000 Franken. Soviel Kosten habe Ihr Abgang verursacht: Abgesagte Kurse, Raumreservationen, Hotelspesen, Anwaltskosten, Werbekosten. Sie erhalten einen Zahlungsbefehl, es gibt eine Schlichtungsverhandlung, Sie brauchen einen Anwalt, Sie müssen vor Gericht.

Chefin fälscht Ihre Unterschrift

Sie können beweisen, dass Ihre Ex-Chefin vor Gericht betrügerische Dokumente wie Scheinrechnungen eingegeben und Ihre Unterschrift gefälscht hat. Dafür wird sie verurteilt. Sie erfahren, dass die Firma Konkurs gegangen ist, mitsamt Ex-Chefin.

Ihre Anwaltskosten sind bei 15‘000 Franken. Die Ex-Chefin zieht nach ihrer Verurteilung das völlig aussichtlose Strafverfahren weiter. Sie hat kein finanzielles Risiko. Denn sie ist inzwischen offiziell mittellos, erhält deshalb gratis einen Pflichtverteidiger. Sie wird Ihnen auch Ihre Anwaltskosten, die auf 20‘000 Franken steigen werden, wohl nie zurückzahlen. Sie erfahren, dass es viele weitere Geschädigte gibt. Was machen Sie mit Ihrer Wut?

Ein wirklicher Fall

Genau dieses Szenario fand statt. Die wirklichen Protagonisten:

Ex-Chefin: Sandra Preisig, Hebamme. Nebenbei gab sie Kurse zur Baby-Pflege. Für diese arbeitete Preisig mit Freelancern zusammen.

Firma: Rosarot & Himmelblau GmbH. Über die Firma verkaufte Preisig Produkte rund um die Schwangerschaft.

Gericht: Regionalgericht Oberland. Es sprach Sandra Preisig wegen Betrugs und Urkundenfälschung schuldig. Sie zog das Urteil weiter.

Ex-Mitarbeiterinnen:

  • Frau X: Ihr passierte die Geschichte. Weil sie von der Hebamme massiv gestalkt wurde, bleibt sie anonym. Ihre Anwaltskosten werden je nach Dauer des Prozesses auf 25'000 Franken steigen.
  • Y. Gutierrez de la Rosa: Sie wollte Kurse für Babypflege geben, liess es dann aber bleiben. Die Hebamme forderte Schadenersatz und kreierte eine lange Liste von scheinbar angefallenen Kosten für 13'800 Franken. Gutierrez wurde mit Zahlungsbefehlen, bösen SMS und Mails eingedeckt.
  • R. Höhener: Sie erledigte für Rosarot & Himmelblau Administrativ-Arbeiten und gab Kurse. Nach ihrer Kündigung wollte die Hebamme 43'000 Franken Schadenersatz. Anwaltskosten für Höhener: 10'000 Franken.

Seit sechs Jahren betrügerisch unterwegs

Sandra Preisig fiel schon 2013 auf: Sie rechnete Krankenkassen-Vergütungen falsch ab. Das Gesundheitsdepartement St. Gallen entzog ihr die Berufsausübungsbewilligung als freie Hebamme. Sandra Preisig arbeitete in anderen Kantonen weiter. 2016 berichtete «Kassensturz», wie sie Säuglingskurse ausfallen liess, das Geld aber für sich behielt.

Wie kann jemand so lange in diversen Kantonen Leute über den Tisch ziehen? Weshalb gibt es keine Koordination zwischen den Gerichten?

Strafprozess gegen Sandra Preisig

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Anfang April startet ein Strafprozess gegen Sandra Preisig bei der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden. Straftatbestand: Betrug mehrfach; Drohung; falsches Arztzeugnis, Urkundenfälschung; unrechtmässiger Leistungsbezug, Versicherungsbetrug, arglistige Vermögensschädigung, eventuell unrechtmässige Aneignung, mehrfach üble Nachrede, Nötigung und häusliche Gewalt.

Justiz endet an Kantonsgrenze

Tatsächlich profitiert Preisig vom Kantönligeist: Bei zivilrechtlichen Verfahren tauschen Kantone keine Informationen aus.

Die Hebamme war in mindestens fünf Kantonen aktiv. Nun kommt es bei der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden erstmals zu einem kantonsübergreifenden Strafprozess. Für Opfer wie Frau X zu spät. Ihre Anwaltskosten bekommt sie wohl nicht zurück.

Gegenüber «Kassensturz» bleibt Sandra Preisig stumm. Sie teilt lediglich mit, es stimme nicht, dass sie aktuell ehemalige Mitarbeiterinnen mit aussichtlosen Geldforderungen einklage. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.

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Studiogespräch mit Michel Heinzmann Professor für Zivilprozessrecht Uni Fribourg
Aus Kassensturz vom 19.03.2019.
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