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Unterschriftenbetrug Soll bezahltes Unterschriftensammeln verboten werden?

Die Aufdeckung des Unterschriftenbetrugs schlägt in Bundesbern hohe Wellen. Jetzt wird über die Massnahmen gestritten.

Es war eine Hiobsbotschaft für die Schweiz und ein Stich ins Herz der direkten Demokratie: Bei diversen Volksinitiativen wurden Unterschriften systematisch erfunden, gefälscht oder kopiert, wie Recherchen des Tagesanzeigers zeigen. Im Fokus der Kritik stehen Firmen, die gegen Bezahlung Unterschriften sammeln.

Die Aufdeckung des Unterschriftenbetrugs hat auf breiter Front Beunruhigung ausgelöst. Immer mehr Politiker fordern nun, dass kommerzielles Unterschriftensammeln verboten wird.

«Überall, wo Geld im Spiel ist, besteht Missbrauchspotenzial. Wenn es keinen finanziellen Anreiz mehr gibt, gibt es auch kein Missbrauchspotenzial mehr», sagt Daniel Fässler, Präsident der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (GPK-S). Der Mittepolitiker spricht sich für ein Verbot von kommerziellem Unterschriftensammeln aus. Er ist schockiert über das Ausmass des Betrugs. «Die direkte Demokratie sollte nicht käuflich sein. Sobald Geld im Spiel ist, wird es gefährlich für eine Demokratie.» Solche Geschichten seien Gift für das ohnehin angeschlagene Vertrauen der Bevölkerung in den Staat.

Einfachste und schnellste Massnahme

Fässler hat wie andere Parlamentsmitglieder erst am Montag aus den Medien vom Unterschriftenbetrug erfahren. Er sei erstaunt, dass er vorher keine Anhaltspunkte dafür hatte – obwohl er bis Ende 2023 als Mitglied der GPK-S für die Bundeskanzlei und das Justizdepartement zuständig war.

Warum hat die Bundeskanzlei die Öffentlichkeit nicht informiert?

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Die Bundeskanzlei müsse zurückhaltend sein, sagt Bundeskanzler Viktor Rossi. «Zum einen handelt es sich um ein laufendes Strafverfahren.» Da seien es die Strafverfolgungsbehörden, die entscheiden, ob und wann die Öffentlichkeit informiert werden soll. «Zum anderen muss die Bundeskanzlei grosse Sorgfalt und Zurückhaltung üben, damit nicht Informationen in den Meinungsbildungsprozess von einzelnen Initiativen eingreifen.» Die Bundeskanzlei habe bereits diverse Massnahmen eingeleitet. Sie habe mehrfach Strafanzeige eingereicht und diese immer wieder aufdatiert. Zudem wurden Unterschriftsbögen vertieft kontrolliert, bei denen Verdachtsfälle vorliegen. «Wir sind hier in engem Austausch mit Kantonen, Gemeinden und den Initiativkomitees, um dieses Problem immer wieder zu thematisieren.» Die Bundeskanzlei prüfe nun auch weitere Massnahmen, um einen solchen Betrug künftig zu verhindern. «Da geht es um Prävention sowie um Instruktionen unserer Partner. Aber es geht auch darum, allfällige technische Lösungen sowie die Rechtsgrundlagen kritisch zu hinterfragen.»

Für den Bundeskanzler sei es ein prioritäres Ziel, die Volksrechte zu wahren. «Die Fälschung von Unterschriften, um Geld zu machen, ist für mich ein gravierender Missbrauch der direkten Demokratie.» Die Bundeskanzlei habe aber bisher keine Hinweise, dass über Initiativen abgestimmt wurde, die nur dank gefälschter Unterschriften zustande gekommen seien.  

Darüber empört ist auch die Präsidentin der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats (SPK-N), Greta Gysin. «Mindestens die Staatspolitische Kommission hätte darüber informiert werden müssen, spätestens als wir vor einem Jahr über ein Verbot von bezahlten Unterschriften diskutiert haben.»

Die Grünen-Politikerin will gemäss einer Mitteilung ihrer Partei in der SPK-N noch diese Woche den Vorschlag einbringen, bezahltes Unterschriftensammeln zu verbieten. «Das wäre die einfachste und schnellste Massnahme», so Gysin. Noch vor drei Jahren war der Vorschlag im Parlament gescheitert.

Volksrechte würden eingeschränkt

Ob Gysin mit dem neuen Antrag eine Mehrheit finden wird, ist fraglich. Denn die Bürgerlichen sind skeptisch. «Von einem Verbot von bezahlten Unterschriftensammlungen halte ich nach wie vor nichts», sagte FDP-Vertreter Wasserfallen. Kleine Gruppierungen würden benachteiligt, und die Volksrechte würden eingeschränkt. «Bezahltes Unterschriftensammeln ist kein Problem, solange es sauber läuft.»

Person hält einen Klemmbrett mit einem Flyer für gentechnikfreie Lebensmittel.
Legende: srf

Auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi ist gegen ein Verbot von bezahlten Unterschriftensammlungen. «Wir haben den Anspruch, die Unterschriften selbst zu sammeln». Allerdings sei die Frist von 100 Tagen bei Referenden im Gegensatz zu Volksinitiativen immer sehr kurz, weshalb die bezahlte Hilfe von Referendumsorganisationen eher in Anspruch genommen werde.

Eine Lösung, die auf beiden Seiten Anklang findet, ist die E-ID – eine elektronische Identitätskarte, mit der Initiativen oder Referenden elektronisch unterschrieben werden könnten. «Mit dem E-Collecting wäre es einfacher, die Unterschriften zu beglaubigen», sagt Gysin. Dieser Meinung ist auch Wasserfalllen: «Sobald die E-ID endlich Realität ist, hätte man mehr Möglichkeiten, Missbräuche zu verhindern».

Urs Leuthard: Das ganze System könnte Schaden nehmen

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Tausende von Unterschriften sollen bei Volksinitiativen und Referenden gefälscht worden sein. Das müsse man ernst nehmen, sagt Urs Leuthard, Leiter der SRF-Bundeshausredaktion. «Wir haben in der Schweiz den höchsten Vertrauenswert der Bevölkerung in die Politik. Das hat mit der direkten Demokratie zu tun.» Wenn die Unterschriftensammlung nun in Verruf gerät, könne dies das ganze System beschädigen.

Betroffen sind mutmasslich zwölf Initiativen. Über die Massentierhaltungsinitiative und die Justizinitiative wurde bereits abgestimmt. Ob bei den eingereichten Initiativen tatsächlich alle Unterschriften gültig seien, da würden die Meinungen auseinander gehen, sagt Leuthard.

Als Lösung, um solche Wahlfälschungen zu verhindern, gilt das E-Collecting, also das digitale Unterschriftensammeln. «Das sollte über die E-ID laufen», erklärt Leuthard. Damit könnten Personen eindeutig identifiziert werden. «Nur bis diese E-ID kommt, vergehen noch ein paar Jahre», sagt der Leiter der SRF-Bundeshausredaktion. In der Schweiz würden bereits einige Projekte zum E-Collecting laufen.

Tagessschau, 03.09.2024, 19:30 Uhr;kobt

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