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Urteil Bezirksgericht Baden AG Bordellbesitzerin verurteilt: Sie beschäftigte Minderjährige

  • 2023 befreite die Polizei eine minderjährige Prostituierte aus einem Aargauer Bordell.
  • Nun wurde die Bordellbesitzerin wegen Menschenhandels und Förderung der Prostitution von Minderjährigen zu vier Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
  • Die Beschuldigte betrieb zur Tatzeit mehrere Bordelle in verschiedenen Kantonen.
  • Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Polizei handelte 2023 nach einem Hinweis aus der Bevölkerung. So wurde die damals 16-jährige Prostituierte in einem Bordell im Bezirk Baden gefunden. Dort arbeiteten mehrheitlich Prostituierte aus Ungarn. Die 60-jährige Bordellbesitzerin stammt ebenfalls ursprünglich aus Ungarn. Sie «verfügte über Sprachkenntnisse und Kontakte ins Prostitutionsmilieu», heisst es in der Anklageschrift.

Vom ungarischen Kinderstrich in die Schweiz

Die Bordellbesitzerin hatte gemäss Anklage Kontakt zu einem Mitbeschuldigten in Ungarn. Dieser warb in Budapest auf dem Kinder- und Jugendstrassenstrich junge Mädchen an. Dann vermittelte er sie an Bordelle im Ausland.

Mädchen-Schuhe
Legende: Mit der Loverboy-Masche hat ein Mann aus Ungarn die damals 16-Jährige als Prostituierte in die Schweiz vermittelt. Ein perfides Vorgehen, sagt die Staatsanwaltschaft (Symbolbild). Keystone / Anthony Anex

Bei der 16-Jährigen sei dieser mutmassliche Zuhälter besonders perfid vorgegangen, sagt die Staatsanwaltschaft. Das Mädchen sei aus dem Kinderheim weggelaufen und habe sich, um an Geld zu gelangen, auf dem Kinderstrich prostituiert.

Der mutmassliche Zuhälter machte das Mädchen per Loverboy-Masche abhängig: Er nahm die junge Frau bei sich in der Wohnung auf. Er versprach ihr die grosse Liebe und für später ein besseres, gemeinsames Leben.

Hälfte der Einnahmen fürs Bordell

Stattdessen überwies der Mann das Mädchen gemäss Anklage mehrmals in die Schweiz. Hier musste es im Aargauer Bordell jeweils für ein paar Wochen anschaffen. Die Hälfte der Einnahmen ging an die Bordellbesitzerin. Die 16-Jährige bediente während drei Aufenthalten in der Schweiz rund 70 Freier und «erwirtschaftete» total über 8000 Franken. Ihren «Verdienst» überwies sie an den Zuhälter in Ungarn.

Verfahren im Ausland gegen Zuhälter läuft

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In Ungarn läuft ein Verfahren gegen den mutmasslichen Zuhälter und einen Komplizen. Man arbeite gut mit den ausländischen Behörden zusammen, sagt Adrian Schuler, Mediensprecher der Aargauer Staatsanwaltschaft. Das Ziel sei es, dass sich solche Fälle nicht wiederholten.

Die Aargauer Polizei kontrolliert Bordelle regelmässig. Dass sie bei den Kontrollen auf Minderjährige treffe, sei zum Glück eher selten, so Schuler weiter.

Die Bevölkerung sei aufmerksam und habe im aktuellen Fall, der vor Gericht verhandelt wurde, die Behörden informiert. So sei man auf den Missbrauch aufmerksam geworden.

Die Minderjährige gelangte jeweils mit dem Ausweis ihrer Schwägerin in die Schweiz. «Die Minderjährigkeit der Opfer ergab sich zweifelsfrei aus dem äusseren Erscheinungsbild», sagte die Staatsanwaltschaft.

Im Aargauer Bordell wurde auch ein zweites minderjähriges Mädchen aufgegriffen, es hatte erst ein paar Tage dort gearbeitet. Auch dafür macht die Staatsanwaltschaft den Mann aus Ungarn verantwortlich.

Verantwortung abgelehnt

Die Bordellbesitzerin gab vor Gericht an, sie habe nicht gewusst, dass das Mädchen minderjährig war. Der Ausweis habe etwas anderes gesagt und sie habe die Frauen jeweils beim Kanton angemeldet. Allerdings hatten zwei Rezeptionistinnen des Bordells ausgesagt, die Chefin habe sehr wohl über das Alter des Mädchens Bescheid gewusst.

In Inseraten wurde das Mädchen als «jung» angepriesen, im Etablissement selber wurde gemäss Anklage bewusst erwähnt, dass das Mädchen 16 Jahre alt war. Mehrere Freier der Teenagerin wurden bereits vor dem Gerichtsprozess in Baden per Strafbefehl verurteilt. Sie mussten Bussen und Genugtuungen bezahlen.

Wie weiter für die junge Frau?

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Die junge Frau gab vor Gericht an, dass sie noch nicht bereit sei für eine Therapie, um das Erlebte zu verarbeiten. Sie lerne aber Deutsch und beginne bald ein Praktikum in einer Kindertagesstätte.

Als die Minderjährige damals aufgegriffen wurde, wurde sie psychologisch betreut und an eine spezialisierte Fachstelle übergeben.

Das Bezirksgericht sprach die Bordellbesitzerin nun erstinstanzlich schuldig und verurteilte sie zu vier Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe. Sie sitzt im vorzeitigen Strafvollzug im Gefängnis. Zudem sprach das Bezirksgericht einen Landesverweis aus. Weiter soll die Bordellbesitzerin dem Mädchen eine Genugtuung von 12'000 Franken zahlen. Die Verteidigung hatte einen Freispruch verlangt.

Das Urteil kann ans Aargauer Obergericht weitergezogen werden.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 11.6.2025, 12:03 Uhr ; 

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