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Freispruch für Bauführer
Aus Schweiz aktuell vom 19.09.2022.
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Urteil im Fall Spöl Trotz Gift im Bach: Gericht spricht Bündner Bauführer frei

Im Fall des verschmutzten Bachs Spöl fehlten für das Gericht die nötigen Beweise. Der Angeklagte wird nicht verurteilt.

Der angeklagte Bauführer einer Sanierungsfirma reagierte sichtlich erleichtert. Der Anwalt der Engadiner Kraftwerke (EKW) sowie der stellvertretende EKW-Direktor hingegen verliessen den Saal des Regionalgerichts Scuol sofort.

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Freispruch für den angeklagten Bauführer im Spöl-Fall
aus Regionaljournal Graubünden vom 19.09.2022. Bild: Keystone
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Die Bündner Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten vorgeworfen, 2016 eine heikle Baustelle in der Staumauer Punt dal Gall zu wenig kontrolliert und die Arbeiter ungenügend instruiert zu haben. Bei einer Panne im Innern der Staumauer trat Staub mit hochgiftigem PCB aus. Das war auch für das Gericht heute unbestritten. Die Ursache dafür sei aber nicht eindeutig, ein Leck in der Baustelle nicht bewiesen und andere Gründe für die Panne denkbar.

«Im Zweifel für den Angeklagten»

In der Summe waren die Beweise für das Gericht zu wenig überzeugend. «Alle nicht geklärten und nicht mehr zu klärenden Fakten» würden einen Schuldspruch verunmöglichen, erklärte der vorsitzende Richter Orlando Zegg. Deshalb gelte hier der Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten», was zum Freispruch führe.

Staumauer Punt dal Gall
Legende: Die Staumauer Punt dal Gall beim Lago di Livigno an der schweizerisch-italienischen Grenze: Im Innern fanden die folgenschweren Sanierungsarbeiten statt. Keystone / Gaëtan Bally

Erleichtert über den Entscheid zeigte sich der Anwalt des Bauführers. Wichtig sei vor allem die Feststellung des Gerichts, dass zwar PCB aus der Baustelle ins Innere der Staumauer entwichen sei – es aber unklar sei, ob das PCB auch tatsächlich im Bach Spöl gelandet sei.

Es ist offen, ob die Engadiner Kraftwerke oder die Staatsanwaltschaft das Urteil weiterziehen. Für die EKW geht es um viel Geld. Vor Gericht gestritten wird derzeit in einem anderen Verfahren um die Frage, wer die im Innern der Staumauer aufgelaufenen Kosten – zum Beispiel für Reinigungsarbeiten – von mehreren 100'000 Franken übernimmt. Im Raum stehen aber auch die Sanierungskosten für den Bach Spöl, geschätzte 18 Millionen Franken.

Darum ist der Spöl verschmutzt

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Am Anfang stand das Projekt «Retrofit» der Engadiner Kraftwerke. Nach über 40 Jahren wurde die Staumauer Punt dal Gall im Schweizerischen Nationalpark nahe der italienischen Grenze umfassend saniert. Teil des Projekts war auch der Grundablass. Der «Stöpsel» des Stausees, ein rechteckiger Kanal, ist mit Stahlplatten ausgekleidet. Diese wurden beim Bau 1969 mit einer PCB-haltigen Rostschutzfarbe behandelt. Die Industriechemikalie ist mittlerweile weltweit verboten, 2013 stufte die WHO PCB als krebserregend ein.

2016 hatte die Spezialfirma des angeklagten Bauführers den Auftrag, den Grundablass zu sanieren, dabei die alte giftige Farbe zu entfernen und eine neue aufzutragen. Weil man wusste, wie heikel die Arbeiten sind, traf man entsprechende Vorkehrungen. Die Baustelle wurde abgedichtet und in Unterdruck versetzt. So sollten bei den Sandstrahlarbeiten keine Schadstoffe in die Umgebung gelangen.

In der Nacht auf den 22. September 2016 aber passierte die Panne. Bei den nächtlichen Arbeiten gab es laut der Bündner Staatsanwaltschaft ein Leck, giftiger Staub gelangte über einen undichten Kabelkanal nach draussen ins Innere der Staumauer. Am nächsten Morgen sahen andere Arbeiter den Schaden und schlugen Alarm.

Ein paar Wochen später nahmen die Engadiner Kraftwerke Proben aus dem Spöl. Die böse Überraschung: Die PCB-Belastung im Fluss war viel zu hoch. Spätere Berechnungen des kantonalen Umweltamts zeigten, dass nicht der Sanierungsunfall allein an der hohen PCB-Belastung schuld sein dürfte. Schon vorher sind laut Berechnungen des kantonalen Amts 85 Prozent der Gesamtmenge des PCB's im Spöl aus der Staumauer in den Bach gelangt – ob durch Abrieb oder Pannen ist unklar. Vor Gericht behandelt wurde nun der Unfall bei den Sanierungsarbeiten 2016.

Angeklagt war der Bauführer einer Spezialfirma für Korrosionsschutzarbeiten. Er verantwortete die Baustelle in der Staumauer (siehe Kasten). Die Vorwürfe: Eine mangelhafte Kontrolle der abgedichteten Baustelle sei der Grund für das Leck, zudem habe er die Arbeitenden nicht richtig instruiert. Es sei den Mitarbeitern nicht bewusst gewesen, wie wichtig es sei, dass konstant ein Unterdruck auf der Baustelle herrsche.

Auf der Baustelle war ein Unterdruckmessgerät installiert, das in jener Nacht mehrmals Alarm schlug. Laut der Staatsanwaltschaft wussten die Anwesenden aber nicht, wie sie zu reagieren hatten. Nach mehreren Alarmsignalen habe ein Arbeiter dem Gerät den Stecker gezogen.

Gutachten entlastete Angeklagten

Der Anwalt des Angeklagten argumentierte: Ein solches Messgerät sei nicht Pflicht, deshalb liege auch keine Pflichtverletzung vor. Vor Gericht trat auch ein von der Firma beauftragter Gutachter auf. Er widersprach der Staatsanwaltschaft: «Es gab keine Leckage.» Schuld seien vielmehr die EKW, das Sanierungsprojekt sei schlecht geplant gewesen.

Laut dem Gutachter habe es in der Staumauer wegen einer schlecht gelegten, offenen Wasserleitung einen extremen Luftsog gegeben, was eine Unterdruckbaustelle verunmöglicht habe. Der Anwalt doppelte nach: Der PCB-Staub sei quasi aus der Baustelle gesogen worden. Der Bauführer habe nicht damit rechnen können und sei von den EKW nicht über den starken Luftzug informiert gewesen.

Weiterhin verschmutzt: Streit um Sanierung des Spöls

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Auch nach diesem Urteil ist die Verschmutzung des Spöls nicht behoben. Der Bach im Nationalpark muss vom PCB befreit werden, doch bis heute gibt es Streit um das Sanierungskonzept. Die aktuelle Kostenschätzung für diese Sanierung beläuft sich laut den Engadiner Kraftwerken auf rund 18 Millionen Franken. Das besonders stark belastete Becken nach der Staumauer wurde 2017 saniert. Die Sanierung des restlichen Bachs ist bis heute nicht geschehen.

SRF1 Regionaljournal Graubünden, 15.09.2022, 17:30 Uhr;

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