Ein Tabubruch steht zur Diskussion: Die Möglichkeit, laufende Renten zu kürzen. Heute hat die zuständige Kommission des Nationalrates eine parlamentarische Initiative diskutiert, welche die Einführung variabler Renten verlangt. Pensionskassen-Renten sind heute fix bis zum Lebensende.
Rentnern zu viel versprochen
Nationalrat Thomas Weibel GLP/ZH will das ändern: «Heute funktionieren die Pensionskassen nicht wie eigentlich gedacht, dass nämlich jeder von seinem eigenen Kässeli profitiert.» Man habe den Rentnern zu viel versprochen. Die Differenz zahlen heute die Erwerbstätigen. «Das muss man wieder ausgleichen», sagt Weibel.
Tatsächlich: Die Oberaufsicht der beruflichen Vorsorge beziffert die Umverteilung auf 7 Milliarden Franken pro Jahr. Der Grund sind überhöhte Rentensätze für die Rentner.
Die parlamentarische Initiative verlangt: Solange das gesetzliche Minimum eingehalten wird, sollen Renten gekürzt, aber auch erhöht werden können. Damit wolle man die unerwünschte Umverteilung zwischen Erwerbstätigen und Rentnern reduzieren.
«Rentner brauchen Sicherheit»
Der Vorstoss sorgt für Diskussionen, Widerstand ist programmiert. Nationalrätin Barbara Gysi SP/SG sagt: «Das ist ein Tabubruch, der so nicht geht. Wenn wir Renten antasten, nehmen wir den Menschen die Sicherheit weg.»
Für die Gewerkschafterin ist auch die Umverteilung zu Lasten der Jüngeren kein Argument: «Wir haben ein System, dass dies schon berücksichtigt. Die Renten sind schon um 20 Prozent gesunken. Rentnerinnen und Rentner von heute tragen einen Teil dieser Lasten mit.»
Flexible Renten gibt es schon
Trotz Widerstand: Flexible Renten gibt es heute schon. Das ist zurzeit nur erlaubt, wenn die laufenden Renten nicht angetastet werden und das gesetzliche Minimum eingehalten wird. Ein paar wenige Pensionskassen nutzen diesen Spielraum und haben sich von fixen Renten verabschiedet.
Das Bauunternehmen Implenia zum Beispiel hat am 1. Januar flexible Renten eingeführt. Neu erhalten Rentner eine sogenannte Zielrente, die bis zu rund 10 Prozent nach oben und unten schwanken kann. Die Regel gilt nur für Leute, die neu in Rente gehen. «Wir haben die Vorsorge saniert und an moderne Lebenswelt angepasst. Die variablen Renten waren nur der letzte Schritt in diesem Prozess», erklärt Thomas Foery, Stiftungsratspräsident der Implenia Vorsorge.
Solidarität auf beiden Seiten
Es sei keine Sparmassnahme, sondern ein Zeichen für eine neue Solidarität zwischen Rentnern und Erwerbstätigen. «Wenn es der Kasse gut geht, sollen alle partizipieren. Wenn die Performance schlecht ist und Massnahmen anstehen, dann sollen auch die Rentner einen Beitrag leisten», sagt Foery. Jung und Alt müssten gemeinsam die Verantwortung für eine gesunde Pensionskasse tragen.
Gewerkschaft bleibt misstrauisch
Die Renten können in diesem Modell also nicht nur sinken, sondern auch steigen. Dennoch traut Barbara Gysi diesen Ankündigungen nicht. «Es doch klar, warum man diese Variante einführt. Man will das Risiko auf die betroffenen Rentner abschieben, also im Notfall die Renten kürzen können.»
Die parlamentarische Initiative wurde in der Kommission knapp abgelehnt. Sie wird nun im Frühjahr im Nationalrat traktandiert. Das Thema wird so oder so aktuell bleiben. Eine Volksinitiative will die Renten an den Anlageerfolg der Kassen binden. Im Frühjahr soll mit der Unterschriftensammlung begonnen werden.