Von London direkt nach Genf – per Zug. Das will Eurostar ab 2030 mit seinen Hochgeschwindigkeitszügen anbieten. Bekannt wurde das Vorhaben, nachdem Bundesrat Albert Rösti im Mai eine entsprechende Absichtserklärung unterschrieben hatte. Angestrebt ist eine Fahrzeit von 5 Stunden und 20 Minuten von London bis Genf – und das dreimal täglich. Martin Winder, Mobilitätsexperte beim Verkehrs-Club der Schweiz VCS, schätzt die Pläne von Eurostar ein.
SRF News: Zurzeit fliegen täglich rund 50 Flugzeuge von der Schweiz nach London. Reichen da drei Züge pro Tag?
Martin Winder: Drei Züge täglich reichen sicher nicht, um alle Flüge zu ersetzen – das ist aber auch nicht das Ziel. Wichtig ist, dass überhaupt eine direkte Bahnverbindung entsteht. Sie kann einen Teil des Flugverkehrs auffangen, was aus Klimasicht sehr begrüssenswert ist. Und bei entsprechender Nachfrage wären auch mehr Züge denkbar.
Neu soll auch Frankfurt direkt an London angebunden werden. Wie verändert das die Attraktivität des europäischen Schienennetzes?
Das ist ein Gewinn für den Schienenverkehr. Solche Lückenschlüsse erhöhen die Attraktivität des gesamten Bahnnetzes, weil sie neue Verbindungen ermöglichen. Davon profitiert der öffentliche Verkehr insgesamt.
Der Preis ist nicht der einzige Faktor für die Attraktivität dieser neuen Verbindung.
Ein Kritikpunkt sind die Sicherheits- und Passkontrollen – nötig wegen des Eurotunnels und weil Grossbritannien nicht zum Schengenraum gehört. Wie stark mindert das die Attraktivität der Züge?
Der Einfluss ist nicht besonders gross. Natürlich wäre es angenehmer ohne Kontrollen – wie in der Schweiz üblich. Aber gegenüber dem Flugverkehr ist das kein Nachteil: Dort müssen Passagiere dieselben Sicherheitsprozeduren durchlaufen.
Grossbritannien will für diese Kontrollen Personal an Schweizer Bahnhöfen stationieren. Wie aufwendig ist das?
Das bedeutet zusätzlichen Aufwand, klar. Aber er ist vergleichbar mit dem Aufwand an Flughäfen. Für Passagiere und Zugpersonal stellt das keine grosse Hürde dar.
Welche Rolle spielt der Preis für das Zugticket?
Fliegen ist viel zu günstig. Denn die Airlines müssen nicht für den enormen CO₂-Ausstoss und damit ihren Beitrag an die Klimaerwärmung bezahlen. Was die Bahntickets kosten werden, wissen wir noch nicht. Sie müssen aber nicht unbedingt in jedem Fall teurer sein als die Flugtickets.
Zudem haben Bahnreisende auch Vorteile. Sie kommen direkt im Zentrum von London an – es braucht also keinen Transfer vom Flughafen in die Stadt. Im Zug können Sie sich auch freier bewegen und zum Beispiel fürs Essen ins Bordrestaurant gehen. Der Preis ist nicht der einzige Faktor für die Attraktivität dieser neuen Verbindung.
Das Gespräch führte Can Külahcigil.