Darum geht es: Der ehemalige israelische Premierminister Ehud Olmert hat einen Anfang Woche geplanten Besuch in der Schweiz abgesagt. Hintergrund ist der Vorwurf möglicher Kriegsverbrechen während seiner Amtszeit von 2006 bis 2009. Olmert teilt mit, dass die Schweizer Behörden ihn «befragen wollten und möglicherweise auch festnehmen».
So reagiert die Schweiz: Das Aussendepartement EDA verweist an die Bundesanwaltschaft (BA). Dort heisst es lediglich: «Die Bundesanwaltschaft führt zurzeit kein Strafverfahren gegen Ehud Olmert.» Das Bundesamt für Justiz (BJ) erklärt, man habe in dieser Sache kein Rechtshilfeersuchen erhalten. Zugleich ergänzt das BJ, dass Fahndungsersuchen und direkt gestellte Auslieferungsgesuche vertraulich seien und dem Amtsgeheimnis unterstünden. Es könnte also sein, dass von Interpol ein internationaler Fahndungsaufruf vorliegt und die Schweiz Olmert verhaften wollte, um ihn auszuliefern.
Reaktionen aus Israel: In Israel löst der Fall vor allem bei Rechtsaussenpolitikern Kritik aus. Naftali Bennet macht auf Twitter deutlich: Israel habe nicht den Luxus, Konflikte auszusitzen wie die neutrale Schweiz, sondern müsse sich in Kriegen verteidigen. Offizielle Reaktionen vom Amt des Premierministers oder vom Aussenministerium gibt es bisher nicht. Der israelische Fernsehsender «Channel 12» berichtet, Olmert habe trotz Warnungen in die Schweiz reisen wollen. Justiz- und Verteidigungsbehörden hätten ihn aber davon abgehalten, weil die Verhaftung eines ehemaligen Premiers für Israel peinlich gewesen wäre.
Was steckt hinter den Vorwürfen: Nach dem Gaza-Krieg 2009 kam eine internationale UNO-Untersuchung zum Schluss, dass Kriegsverbrechen im Sinne der Genfer Konvention verübt worden sein könnten. Und zwar von israelischer Seite wie auch von militanten palästinensischen Organisationen. Israel kritisierte den Bericht als einseitig anti-israelisch. Es ist nicht das erste Mal, dass Olmert und andere hochrangige Politiker und Militärs der damaligen Zeit Probleme bei Reisen ins Ausland bekamen. Denn Palästina ist seit April 2015 Mitglied beim Internationalen Strafgerichtshof und fordert die Anklage diverser Personen.
Der Gaza-Krieg 2008/09: Olmert war damals Premier einer Übergangsregierung. Die radikal-islamische Hamas in Gaza hatte während Jahren Raketen auf Israel geschossen. Im Dezember 2008 schlug Israel zurück. In drei Wochen wurden mehr als 1100 Palästinenser im Gaza-Streifen getötet, wobei über die genau Zahl der Toten noch immer gestritten wird. Mindestens die Hälfte der Opfer sollen aber nicht Hamas-Kämpfer, sondern unbeteiligte Zivilisten gewesen sein.
Olmerts zwiespältige Bilanz : Olmert ist in Israel auch wegen des Libanon-Kriegs von 2006 sehr umstritten. Eine israelische Untersuchungskommission warf ihm schwerwiegendes Versagen vor. Bis heute haftet ihm an, der Krieg gegen Libanon sei eine Kurzschlussreaktion gewesen – mit vielen Toten, aber ohne Nutzen. Olmert ist zudem der bisher einzige israelische Premier, der nach seinem Rücktritt wegen Korruption verurteilt wurde. Von der 27-monatigen Gefängnisstrafe musste er deren 16 absitzen. Pikant: Auch gegen den amtierenden Premier Benjamin Netanjahu laufen Untersuchungen wegen Korruption. Es dürfte also kein Interesse daran haben, dass die Medien jetzt eine ausführliche Biographie von Olmert aufkochen.