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Verdichten statt zersiedeln Sind wir bereit für die 10-Millionen-Schweiz?

Die Schweizer Bevölkerung wächst. 2035 sollen 10 Millionen Menschen hier leben. Einem Raumplaner macht das keine Angst.

10 Millionen Menschen sind keine Horrorvorstellung für Raumplaner Lukas Bühlmann. Der Direktor von Espace Suisse, dem Schweizer Verband für Raumplanung, ist optimistisch: «Den Wohnraum, den es für eine 10-Millionen-Schweiz braucht, können wir auf den bestehenden Flächen gewährleisten.»

Und das, ohne die Landschaft zubetonieren zu müssen. Man müsse eben «nach innen bauen». Das ist das Prinzip des revidierten Raumplanungsgesetzes. Es verlangt, dass zuerst in bestehenden Siedlungsgebieten weitergebaut wird, bevor man weiteres Land zur Bauzone erklärt. Im bestehenden Baugebiet gebe es noch viele Lücken, wo man verdichten könne.

Freie SBB-Areale bergen noch viel Potenzial

Bühlmann zählt ein paar Beispiele auf: «Das sind einerseits Industriebrachen – auf SBB-Arealen gibt es zum Beispiel Flächen, die nicht mehr benötigt werden, wo man solche Entwicklungen vorantreiben kann.» Und dann gebe es auch Gebiete, die schlecht genutzt würden: «Etwa nur ein- oder zweigeschossige Bauten, wo man vielleicht noch ein bis zwei Stockwerke darauf bauen kann.»

Das gelte nicht nur für Städte, sondern auch für ländliche Gebiete. Mitten in vielen Dörfern habe es ebenfalls unbebaute Flächen, sagt Bühlmann.

«Gute Dichte» dank Genossenschaftsprojekt

Das Beispiel von verdichtetem Bauen steht bislang aber in der Stadt: Die Kalkbreite in Zürich ist ein moderner Bau mit fast 100 Wohnungen, Läden, Büros, Kinos, einem Restaurant. Gebaut auf einem Tramdepot, das überdacht worden ist. SP-Gemeindepolitikerin Christine Seidler, Professorin für urbane Entwicklung und Mobilität, ist Mitinitiantin des Projekts.

Mehr Menschen auf gleicher Fläche

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Im Jahr 2035 könnten 10 Millionen Menschen hier leben. Davon geht das Bundesamt für Statistik aus. Wo sollen die Menschen wohnen, ohne dass alles zubetoniert wird? Die Zersiedelungs-Initiative, über die am 10. Februar abgestimmt wird, will die Bauzonen einfrieren. Neue Bauzonen dürften nur noch geschaffen werden, wenn andernorts eine mindestens gleich grosse Fläche wieder ausgezont wird.

Sie erzählt, wie es dazu gekommen ist: «Hier war eine Brache, ein Bauplatz, auf dem man begann, gemeinsam zu kochen. So ist man den Leuten aus dem Quartier begegnet, auch fremdsprachigen; und man hat begonnen, zusammen Ideen zu entwickeln.» Auf Basis dieser Ideen habe man das Projekt realisiert.

Genau diese Reihenfolge müsste es sein, sagt Seidler. Die Menschen müssten einbezogen werden – auch bei ein anderen Verdichtungsprojekten: «Eingriffe müssen mit Respekt vor Geschichte und Bestehendem und entlang der Bedürfnisse der Beteiligten mit grosser Sensibilität vorgenommen werden.» So, dass Verdichtung nicht ausschliesse, sondern bereichere.

Initiative würde neue Richtpläne erfordern

Bühlmann von Espace Suisse glaubt, dass die Schweiz bereits auf gutem Wege ist. Das Anliegen der Zersiedelungs-Initiative sei zwar berechtigt. Er sieht aber auch Probleme: «Die meisten Kantone haben nun ihre Richtpläne angepasst.» Würde die Initiative angenommen, müssten sie noch einmal über die Bücher. «Man müsste wieder justieren, die Gemeinden würden wieder warten, bis der Richtplan angepasst ist. Das würde den ganzen Prozess wieder verlangsamen.»

Das neue Raumplanungsgesetz habe das gleiche Ziel wie die Initiative: Die Schweizer Grünflächen sollen nicht zugebaut werden. Handlungsbedarf sieht der Espace-Suisse-Direktor aber bei der Unterstützung der Gemeinden. Da müsse der Bund aktiv werden. Denn: In den Gemeinden fehlten oft Fachleute und die Ressourcen.

Die 10-Millionen-Schweiz sinnvoll planen, sei machbar. Eine einfache Aufgabe sei es aber nicht.

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