Würden die Erträge aus der Mineralölsteuer ausschliesslich für den Strassenbau eingesetzt, fehlten jährlich 1,5 Milliarden Franken für Bildung, Landwirtschaft oder den öffentlichen Verkehr, warnte die Allianz in Bern. Darin vertreten sind SP, FDP, CVP, Grüne, GLP, BDP und EVP sowie Verkehrs- und Umweltverbände, der Bauernverband und Gewerkschaften.
Gefahr für echte Kühe
Dieses Loch müsste mit Geld aus anderen Bereichen gestopft werden. Betroffen wären jene Bereiche, in welchen überhaupt finanzieller Spielraum besteht. Bei einer Annahme der Initiative würden schon nächstes Jahr fast 400 Millionen Franken für Bildung und Forschung fehlen, für die Armee 300 Millionen, für die Landwirtschaft 200 Millionen Franken. Wenn die Subventionen ausblieben, müssten echte Milchkühe geschlachtet werden, sagte der Gründe Nationalrat Daniel Brélaz (VD) vor den Medien.
Einsparungen wären auch beim öffentlichen Verkehr in den Randregionen und in den Agglomerationen nötig oder bei den Prämienverbilligungen. Die Bürgerinnen und Bürger täten daher gut daran, an die eigenen Interessen zu denken und nicht an jene der Autoimporteure, von welchen die Initiative stamme, sagte Brélaz.
Die Berner SP-Nationalrätin und VCS-Präsidentin Evi Allemann widersprach auch der Behauptung, dass die Autofahrer finanziell «gemolken» würden. Die Mineralölsteuer sei seit 1993 unverändert, der Mineralölsteuerzuschlag gar seit 1974. Die damals beschlossenen 30 Rappen haben heute noch knapp 14 Rappen wert.
Gleichzeitig profitierten die Autofahrer vom tiefen Ölpreis und sparsameren Fahrzeugen, wie der Berner GLP-Nationalrat Jürg Grossen in Erinnerung rief. Die Autofahrer als Milchkühe der Nation zu bezeichnen, sei daher ein «Schwindel». In Gegenteil, der motorisierte Strassenverkehr werde heute stark subventioniert: Gemäss den Zahlen des Bundes decke er 7,8 Milliarden Franken seiner kosten nicht.
«Staatspolitischer Blödsinn»
Die Gegner liessen kein gutes Haar an der Initiative: BDP-Fraktionschefin Rosmarie Quadranti (ZH) bezeichnete es als «staatspolitischen Blödsinn», das im Strassenverkehr eingenommene Geld vollumfänglich der Strasse zukommen lassen zu wollen. «Mit dieser Logik müsste man die Erträge aus der Alkoholsteuer zur Förderung des Alkoholkonsums einsetzten», sagte sie.
Entscheidend ist für gegnerische Allianz jedoch, dass für den Unterhalt und den Ausbau des Strassennetzes genügend Geld zur Verfügung steht. Dafür sorge der geplante Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF), sagte der Waadtländer FDP-Ständerat Olivier Français.
Diese Vorlage ist im März vom Ständerat beraten worden. Gemäss seinen Beschlüssen würde die Bundeskasse in Zukunft 700 Millionen Franken mehr an die Strasse zahlen als bisher. In der kleinen Kammer war daher von einer «halben Milchkuh» die Rede gewesen. Ein Gegenvorschlag ist der NAF aber nicht. Die FDP habe sich um einen Kompromiss mit den Initianten bemüht, diese seien dafür aber nicht offen gewesen, sagte Français. Nun sei es zu spät für einen Dialog.
Befürworter breit aufgestellt
Die «Milchkuh-Initiative», die eigentlich Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» heisst, kommt am 5. Juni zur Abstimmung. Sie verlangt, dass Einnahmen aus dem Strassenverkehr grundsätzlich nur noch für den Strassenverkehr verwendet werden dürfen.
Heute fliessen der Mineralölsteuerzuschlag, die Einnahmen aus der Autobahnvignette und die Hälfte des Ertrags der Mineralölsteuer in die Strassenkasse. Die andere Hälfte der Mineralölsteuereinnahmen aus Treibstoffen, knapp 1,5 Milliarden Franken pro Jahr, geht an die Bundeskasse.
Bundesrat, Parlament und die Kantone lehnen die Initiative ab. Die Befürworter sind allerdings fast ebenso breit aufgestellt wie die Gegner: Neben Strassen- und Autoverbänden unterstützt der Gewerbeverband die Initiative.
Im Komitee sitzen Parlamentarier von FDP, CVP und SVP. Im Parlament hat sich die SVP für die Initiative ausgesprochen, die FDP war gespalten. Im Nationalrat stimmte fast die Hälfte der Fraktion für die Initiative, im Ständerat enthielten sich die FDP-Vertreter der Stimme. An der Delegiertenversammlung vom 16. April wird die Partei ihre Haltung zur Initiative festlegen.