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Verpackungsanlage für Atommüll Aargau ist nicht begeistert über Nagra-Entscheid

In Würenlingen sollen radioaktive Abfälle für die Endlagerung verpackt werden. Im Aargau gibt es dazu noch viele Fragen.

Das Atomendlager kommt nur am Rande in den Atomkanton Aargau. Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hat sich für Nördlich Lägern als Standort für ein Endlager für den radioaktiven Abfall der Schweiz entschieden. Ein Standort im Zürcher Unterland.

Trotzdem bleibt der Aargau ein zentraler Ort, wenn es um das Tiefenlager geht. Denn die Nagra schlägt weiter vor, dass die Verpackungsanlage, wo der radioaktive Abfall für die Endlagerung bereitgestellt wird, in Würenlingen AG gebaut werden soll. Also dort, wo heute schon der Schweizer radioaktive Abfall zwischengelagert wird.

Was passiert in einer Verpackungsanlage?

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Schild
Legende: Der hochaktive Abfall muss in andere Behälter umgefüllt werden. Keystone/Petra Orosz

Der Schweizer Atommüll wird aktuell in verschiedenen Behältern im Zwischenlager (Zwilag) in Würenlingen aufbewahrt. Fürs Endlager müssen diese Abfälle aber in andere Behälter umgelagert werden. Dazu ist eine Verpackungsanlage nötig.

Die Anlage muss dabei natürlich sicher sein. Das Gebäude wird deshalb zum Beispiel sehr massiv gebaut, sodass es auch Flugzeugabstürzen standhalten könnte.

Begeistert ist man im Aargau nicht vom Entscheid, die Verpackungsanlage in Würenlingen zu bauen. Die Aargauer Regierung nimmt den Vorschlag der Nagra «zur Kenntnis», wie es in einer Mitteilung heisst. Er sei aber schon nachvollziehbar, sagt Regierungsrat Stephan Attiger. Schliesslich gebe es Synergien mit dem bestehenden Zwischenlager (Zwilag).

Ursprünglich sprach sich die Aargauer Regierung gegen eine Verpackungsanlage in Würenlingen aus. Eine solche mache nur dann Sinn, wenn das Tiefenlager in den Bözberg kommen würde, hiess es vor rund zwei Jahren.

Halle mit grauen Behältern
Legende: Blick ins Zwischenlager für radioaktive Abfälle in Würenlingen. In diesen Behältern lagern hochradioaktive Abfälle, unter anderem ausgediente Brennstäbe. Keystone/Petra Orosz

Trotzdem sei er vom Entscheid nicht allzu überrascht, weil der Standort Würenlingen gute Voraussetzungen biete, sagt Attiger. Und es gelte das gleiche wie auch beim Endlager: die Verpackungsanlage solle am sichersten Standort gebaut werden und das Zwilag sei bereits heute sicher.

Trotzdem fordert die Aargauer Regierung vertiefte Abklärungen zu verschiedenen Fragen, die noch offen sind. Stephan Attiger spricht dabei bautechnische Fragen an, damit wirklich keine Gefahr für das Grundwasser besteht. Und es sei auch noch vieles offen zum Transport der verpackten Brennelemente von der Verpackungsanlage zum Endlager. Auch gäbe es noch keinen Zeithorizont, bis wann die Verpackungsanlage gebaut und schliesslich auch wieder aufgehoben werde.

Würenlingen will mitarbeiten

«Nachvollziehbar» ist der Entscheid für den Standort der Verpackungsanlage für Patrick Zimmermann, Gemeindeammann von Würenlingen. Durch das Zwilag gäbe es bereits viele hoch qualifizierte und erfahrene Arbeitskräfte in der Region. Ausserdem sei der Ausbau und die Erweiterung des Zwilag ressourcenschonend und es gäbe nur minimale Eingriffe in die Umgebung.

Deutsche Gemeinden fürchten Imageschaden

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Die geplante Verpackungsanlage in Würenlingen ist nur 15 Kilometer vom Rhein und damit von Deutschland entfernt. Für die Gemeinden und Städte am Hochrhein ist der Entscheid der Nagra nur schwer nachvollziehbar, wie sie in einer Mitteilung schreiben.

Sie sehen vor allem beim Transport der Behälter von der Verpackungsanlage zum Endlager eine Gefahr. Zum Transport gebe es tatsächlich viele offene Fragen, meint auch Martin Kistler, Landrat des Landkreises Waldshut.

Sorgen bereitet ihm vor allem ein möglicher negativer Einfluss auf den Grundwasserstrom der Aare und damit auf das Trinkwasser. «Hier werden wir unser Augenmerk darauf richten, dass eine Gefahr ausgeschlossen werden kann», betont Kistler.

Grundsätzlich möchte Martin Kistler aber keine grosse Diskussion über nachteilige Auswirkungen auf seinen Landkreis anzetteln. Egal auf welchen Standort die Wahl der Nagra gefallen wäre – der Landkreis Waldshut wäre sowieso betroffen gewesen.

Betroffen vom Vorschlag das Endlager für radioaktive Abfälle in der Region Nördlich Lägern zu bauen, ist vor allem der Kanton Zürich. Allerdings sind auch drei Aargauer Gemeinden im Perimeter dieses Standorts, unter anderem Fisibach. Gemeindeammann Roger Berglas rechnet nicht mit grossen Auswirkungen auf seine Gemeinde.

Sichtbar wäre das Endlager in der 500-Einwohner-Gemeinde voraussichtlich sowieso nicht. Vielleicht auch deshalb ist Berglas kein Widerstand aus seinem Dorf bekannt.

Hauptstrasse mit älteren Bauernhaus
Legende: In der kleinen Aargauer Gemeinde Fisibach ist von einem Widerstand gegen das Endlager nichts zu spüren. SRF / Christiane Büchli

Ein möglicher Baubeginn sei noch Jahrzehnte weg. Es sei deshalb auch schwierig über negative Aspekte zu mutmassen, genauso wie es schwierig sei zu sagen, ob Fisibach oder die Region durch Arbeitsplätze oder Entschädigungszahlungen am Ende sogar von einem Endlager profitieren könnten.

Das wichtigste sei jetzt die Imagepflege. «Wir müssen nicht nur dafür sorgen, dass das Endlager sicher ist, sondern, dass sich die Menschen hier sicher fühlen», betont Roger Berglas. Dafür und für die Belange der Aargauer Gemeinden will er sich weiterhin einsetzen.

Erleichterung am Bözberg

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Dmeonstration
Legende: ZVG / KAIB

Ein möglicher Standort für ein Tiefenlager war auch der Bözberg im Aargau. Dass sich die Nagra nun für den Standort Nördlich Lägern entschieden hat, freut die Gegner eines solchen Endlagers am Bözberg.

«Primär sind wir froh, dass der Bözberg ausscheiden wird. Wir haben von Anfang an gesagt, dass es am Bözberg geologische Probleme und auch Risiken bezüglich Thermal- und Grundwasser geben würde», sagt Max Chopard, Präsident des Vereins «Kein Atommüll im Bözberg KAIB».

Allerdings weist Chopard darauf hin, dass der Bözberg aktuell nur zurückgestellt sei und dass man auf den heutigen Standortentscheid später auch noch zurückkommen könnte.

Ausserdem seien verschiedene Fragen auch beim Standort Nördlich Lägern noch nicht geklärt, diese müssten nun vertieft abgeklärt werden. Chopard spricht dabei unter anderem die Markierung des Endlagers für künftige Generationen und die Rückholbarkeit des Atommülls an.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 12.9.22, 12:03 Uhr ; 

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