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Verschwörungstheorien Ukraine-Krieg: Ein gefundenes Fressen für ehemalige Coronaleugner

Corona-Massnahmenskeptikerinnen und -skeptiker teilen nun in den Kommentarspalten und auf Social-Media-Kanälen (auch von SRF) prorussische Propaganda und auch Verschwörungstheorien. Marko Kovic ist Sozialwissenschaftler und forscht zu Verschwörungstheorien. Er hat in der Wochenzeitung «Woz» die Zusammenhänge aufgedeckt.

Marko Kovic

Sozialwissenschaftler und Journalist

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Marko Kovic ist selbstständiger Sozialwissenschaftler. Der Journalist und Podcaster ist Mitbegründer und ehemaliger Präsident der «Skeptiker Schweiz».

SRF News: Wo sehen Sie eine Verbindung zwischen dem Ukraine-Krieg und Verschwörungstheorien?

Marko Kovic: Diese Verbindung sieht man in den Kanälen, Gruppen, Onlinechats der massnahmenkritischen Bewegung. Dort ist das Thema Pandemie langsam vorbei. Die verschwörungstheoretische Brille, die sich diese Menschen aufgesetzt haben, wird jetzt auf das Thema Ukraine-Krieg angewendet.

Jetzt teilen die Leute, die vorher die Massnahmen gegen die Verbreitung der Corona-Pandemie kritisierten, prorussische Propagandainhalte?

Ja, es werden prorussische Propaganda und prorussische Verschwörungstheorien geteilt. Ein Beispiel dafür ist die These des «Friedensforschers» und Verschwörungstheoretikers Daniele Ganser, der behauptet, die Revolution 2014 in der Ukraine sei in Tat und Wahrheit ein Putsch des Westens gewesen. Diese Verschwörungstheorie hält sich hartnäckig und das mobilisiert die Leute und macht sie wütend.

Sie sprechen von einem Verschwörungsnarrativ. Was meinen Sie damit genau?

Das übergeordnete Verschwörungsnarrativ, das zum Einsatz kommt, beinhaltet zwei Elemente. Einerseits die Überzeugung, dass die sogenannten Mainstream-Medien, darunter auch SRF, lügen würden, dass ihnen nicht zu trauen sei, weil sie im Hintergrund von den bösen Mächten kontrolliert werden. Und zweitens die Überzeugung, dass die Wahrheit zu den Ereignissen eben genau eine andere ist als die, die im öffentlichen Diskurs in der Debatte geglaubt wird. Die Dinge seien ganz anders, als wir denken.

Wir wissen aus der Forschung, dass die Regierung Putins die Erzählung streut, im Westen seien die Medien korrupt, sie seien unterwandert.
Autor:

Der Kreml bedient dieses Narrativ aktiv?

Wir wissen aus der Forschung zur russischen Desinformation der letzten 10, 15 Jahre, dass die Regierung Putins über diverse Desinformationskanäle, über Sender wie Russia Today oder Sputnik, aber auch über ihre Social-Media-Präsenz gezielt die Erzählung streut, im Westen seien die Medien korrupt, sie seien unterwandert. Man dürfe die Wahrheit nicht mehr sagen und die russische Perspektive werde im Westen unterbunden.  

Plakat an einer Corona-Demo: «Befreien wir uns!»
Legende: Plakat an einer Corona-Demo in der Schweiz. Keystone

Wie weit wird diese Vermählung von Corona-Verschwörungstheorien und prorussischer Propaganda noch führen, wenn wir an die Reichweite und die Lautstärke der vergangenen Demonstrationen der Corona-Massnahmengegner und -gegnerinnen denken?

Wir wissen aus der Forschung zu den Coronaprotesten, dass es ein Spektrum ist. Mindestens die Hälfte der Leute, die dort teilgenommen haben, haben ihren Lebensmittelpunkt nicht in Verschwörungstheorien gefunden. Es gibt aber einen harten Kern, so um die 10 Prozent.

Die Mobilisierungskraft, die die letzten zwei Jahre aufgebaut wurde, dürfte weiterbestehen und wird jetzt auf ein anderes Thema angewendet.
Autor:

Diese Gruppe hat sehr viel Lebensenergie in die Proteste und in ihre Sicht der Dinge investiert. Und diese Leute ziehen das weiter. Die Strukturen, die Gruppen, die Mobilisierungskraft, die die letzten zwei Jahre aufgebaut wurden, die dürften weiterbestehen und werden jetzt auf ein anderes Thema angewendet.

Erwarten Sie, dass diese Haltung wieder auf die Strasse getragen wird?

Ob die Menschen damit auf die Strasse gehen werden, weiss ich nicht. Aber die Online-Radikalisierung in diesen Verschwörungserzählungen, und die Wut auf das sogenannte System und auf die Lügen, die uns aufgetischt werden sollen, die bleiben sicher weiter bestehen.

 

SRF 4 News, 07.03.2022; 06:40 Uhr ; 

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