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Vertrauen in die Polizei Opfer von sexueller Gewalt vertrauen Polizei nicht

Vertraut die Bevölkerung der Polizei? Ja, aber nicht bei Sexualdelikten, zeigt eine Umfrage der Berner Kantonspolizei.

Vertraut die Bevölkerung der Polizei? Wie macht diese ihre Arbeit? Das wollte die Berner Kantonspolizei wissen und hat 14'000 Einwohnerinnen und Einwohner angeschrieben. 5500 haben von Mai bis Juli 2021 geantwortet. Rund 85 Prozent von ihnen sind zufrieden mit der Arbeit der Polizei. Auch das Vertrauen in sie ist demnach hoch.

Polizeiauto
Legende: 85 Prozent der antwortenden Personen waren zufrieden mit der Arbeit der Polizei. Keystone

Die Berner Bevölkerung fühlt sich also insgesamt sehr sicher, wobei das Sicherheitsempfinden in der Nacht vor allem zu Fuss und im öffentlichen Verkehr etwas tiefer ist.

Die Umfrage zeigt auch, dass sexuelle Übergriffe, körperliche Angriffe und psychische Gewalt mehrheitlich nicht der Polizei gemeldet werden. Einige Betroffenen gaben an, der Schaden sei zu klein oder der Aufwand zu gross.

Manche Opfer von Körperverletzungen machten aber auch keine Meldung, weil sie Zweifel hatten, dass die Polizei sie ernst nimmt.

Ähnlich gross sind die Zweifel bei Opfern von sexuellen Übergriffen. Bei ihnen wurde zudem häufig auch Scham als Grund genannt, nicht zur Polizei zu gehen. Von ihnen gingen die wenigsten zur Polizei, nur knapp ein Viertel. Bei den Opfern psychischer Gewalt waren es noch weniger.

Jene Personen, die den Vorfall meldeten, wurden gefragt, wie zufrieden sie mit dem Umgang der Polizei waren. Die Antworten zeigen, dass über alle Delikte gesehen, mindestens die Hälfte eher zufrieden oder zufrieden war. Am wenigsten zufrieden waren jedoch die Opfer eines sexuellen Übergriffs. Ein Viertel der Befragten gab an, mit dem Umgang der Polizei unzufrieden zu sein, ein Viertel war nur mässig zufrieden.

Unangenehme Befragung

Ein Grund dafür könne sein, dass die Polizei bei einem solchen Vorfall den Sachverhalt neutral abklären muss, sagt Pia Altorfer von der Berner Opferhilfe. Die Polizei müsse auch unangenehme Fragen stellen. «Sie stellen auch mehrmals dieselbe Frage und so kommen sich die Betroffenen manchmal vor, als wären sie selbst die Täter oder als würde die Polizei sie nicht ernst nehmen.»

Herkunft der Betroffenen spielt auch eine Rolle

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Es gibt einen weiteren Grund, weshalb die Polizei nicht alle Menschen erreicht. «Eine Rolle kann die Herkunft der Betroffenen sein», sagt Pia Altorfer von der Berner Opferhilfe. Wenn die Opfer aus einem Land kämen, in dem die Behörden korrupt oder gar gewalttätig sei, hätten sie auch hier Angst vor der Polizei.

Durch diese Befragungen müsse man einfach durch, so Altorfer. «Die Betroffenen sind oft traumatisiert. Die Art und Weise einer Befragung kann sie zusätzlich traumatisieren.» Die Polizei müsse deshalb besonders sensibel sein und viel Empathie zeigen. «Nicht dass die Betroffen danach das Gefühl haben, sie seien selbst schuld.»

Auch keine Anzeige

Bei Sexualdelikten sei es aber sehr heikel. Es gebe nicht immer Beweismittel und die Polizei könne nicht immer herausfinden, was wirklich passiert ist. Auch dies ist ein Grund, weshalb sich die Betroffenen nicht melden oder nicht an der Meldung festhalten. «Dass es bei Sexualdelikten nicht zu einer Anzeige kommt, ist eine Realität», sagt Altorfer. Dort müssten die Betroffenen psychisch genügend stark sein, das Verfahren durchzustehen.

Für die Polizei bleibt somit das Ziel, die Hemmschwelle für Meldungen so tief wie möglich zu halten. Dafür seien wohl weitere Sensibilisierungsmassnahmen notwendig, meint der Berner Polizeikommandant Christian Brenzikofer.

Er möchte unter anderem mobile Polizeiposten testen. Dazu werden grössere Autos an verschiedenen Tagen in verschiedenen Orten platziert. Die Bevölkerung kann mit den Beamten Termine abmachen, aber auch spontan vorbeigehen. Die Polizistinnen und Polizisten seien dann auch zu Fuss in der Ortschaft präsent, um die Polizei sichtbarer zu machen.

Mehr Präsenz erwünscht

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Die Zustimmung der Polizei ist vor allem bei der jüngeren Bevölkerung nicht sehr gross. «Bei den Jungen kommt die Polizei wohl eher dann, wenn man sie nicht sehen will», erklärt sich dies Polizeikommandant Christian Brenzikofer. Der Zugang zu den Jugendlichen sei aber wichtig und müsse früher erfolgen. Deshalb sei die Polizei in den Schulen tätig – mit Verkehrsunterricht und neuerdings mit Prävention bei digitalen Medien. «So wollen wir einen positiven Zugang schaffen, damit sie auch im Ausgang wissen, dass die Polizei auch für sie und nicht nur gegen sie ist.»

Allgemein wünscht sich die Bevölkerung, dass die Polizei besser erreichbar und mehr zu Fuss unterwegs ist. Tendenziell wird mehr sichtbare Präsenz gewünscht. Zudem findet die Mehrheit der Befragten, dass die Polizei mehr mit den Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren soll.

Ähnliche Befragungen gab es 2011 und 2015 auf nationaler Ebene mit ähnlichen Ergebnissen wie in Bern. Daran beteiligte sich auch die Kantonspolizei Bern. Sie plant im Kanton eine nächste Befragung im Jahr 2025.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 18.01.2020, 12:03 und 17:30 Uhr ; 

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