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Vision Tourismus 2030 Tourismus nach Corona: Weg von der Masse?

Luzern will den Tourismus neu ausrichten und weg von den grossen Besucherströmen. Andernorts vermisst man die Massen.

Was vor gut zwei Jahren unvorstellbar war, scheint heute fast selbstverständlich: Die Kapellbrücke in der Stadt Luzern ist jederzeit ohne Probleme passierbar. Corona hat die Touristenströme zum Versiegen gebracht, welche diese Brücke sonst oft blockierten. Da könnte man sich daran gewöhnen, denken viele Einheimische und fragen sich: Wollen wir nach der Pandemie tatsächlich zurück zum Massentourismus?

Die Frage nach der Zukunft des Luzerner Tourismus treibt auch die Stadtregierung um. Sie hat deshalb mithilfe einer Bevölkerungsbefragung, Gesprächen mit Branchenvertretern und Workshops ein Strategiepapier erarbeitet, das am Donnerstag im Stadtparlament diskutiert wurde. Es trägt den Titel «Vision Tourismus Luzern 2030».

Touristenströme besser lenken

Der Tourismus sei zwar wichtig für die Stadt und habe sie auch geprägt, sagte etwa Andreas Felder von der Mitte-Partei. «Doch mittlerweile ist der Punkt erreicht, an dem sich ein Teil der Bevölkerung davon beeinträchtigt fühlt.» Ein Grossteil des Stadtparlaments sah dies ähnlich und stellte sich hinter die Strategie.

Chinesische Touristengruppe vor einem Uhrengeschäft.
Legende: Solche Bilder vermissen nur wenige Einheimische: Touristen einer 4000 Personen grossen chinesischen Reisegruppe ziehen durch die Stadt Luzern. Mai 2019. Keystone

Diese sieht vor, die Touristinnen und Touristen künftig besser durch die Stadt zu lenken, um Ansammlungen zu vermeiden. Die touristische Vermietung von Wohnungen, zum Beispiel über Airbnb, soll stärker reguliert werden. Reisende sollen also häufiger und länger in den städtischen Hotels übernachten.

So einfach ist es nicht

Ganz grundsätzlich ist die Devise: Weniger Massentourismus und dafür Gäste, die allein, zu zweit oder in kleineren Gruppen reisen. Dazu sieht die Strategie vor, mehr Leute aus Europa anzulocken. So würde der Tourismus nachhaltiger, so die Überlegung.

Appenzell: Massentourismus aus dem Inland

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Touristenmassen beim Bergrestaurant Äscher
Legende: Bereits vor der Pandemie sorgte der hohe Andrang auf das unterdessen weltbekannte Bergrestaurant «Äscher» nicht nur für freudige Reaktionen. Keystone

Auch in Appenzell Innerrhoden hat der Tourismus einen hohen volkswirtschaftlichen Stellenwert und auch da erarbeitet die Regierung eine neue Strategie. Sie soll in den nächsten Monaten verabschiedet werden. Zwei Ziele sind bereits jetzt gesetzt: mehr Nachhaltigkeit und weniger Übertourismus.

Im Unterschied zu Luzern sind in Appenzell jedoch weniger die ausländischen Gäste das Problem. Das machte die Coronakrise deutlich. Während des ersten Pandemie-Jahrs wurde das Alpstein-Gebiet von Schweizerinnen und Schweizern überrannt. Als einziger Kanton verzeichnete Appenzell-Innerrhoden mehr Gäste als vor der Krise.

Die punktuelle Gästekonzentration, gepaart mit einem hohen Verkehrsaufkommen und mehr Abfall entfachte eine Diskussion in Politik und Gesellschaft. Die Bilder eines überrannten Alpsteins sollen sich nicht wiederholen. Deshalb braucht es laut Regierung eben eine neue Strategie.

Ein Punkt, den Marcel Perren, der Direktor von Luzern Tourismus kritisch sieht. Mehr Gäste aus Europa und der Schweiz hätten den Wegfall von Touristen aus Asien und Übersee in der Corona-Krise bei weitem nicht kompensieren können. «Luzern ist auf diese Reisenden angewiesen.»

Die Stadt werde tatsächlich nicht so schnell vom Massentourismus wegkommen, bestätigt Florian Eggli vom Institut Tourismus und Mobilität von der Hochschule Luzern. Und trotzdem könne die Strategie aufgehen. «Es gibt auch in Übersee und Asien immer weniger Reisende, die sich mit dem Erlebnis Massentourismus zufriedengeben.» Die Strategie habe also schon Potenzial.

Jungfraubahnen vermissen die Massen

Bei einer anderen Schweizer Top-Destination hat man andere Ideen. Für die Jungfraubahnen im Berner Oberland kann es gar nicht schnell genug zu den grossen Besucherströmen zurückgehen. Zu Spitzenzeiten fuhren über eine Million Gäste aufs Jungfraujoch, Corona liess diese Zahl um zwei Drittel einbrechen.

Eine grosse Gruppe Tourist:innen auf dem Jungfraujoch
Legende: Zu Spitzenzeiten besuchten jährlich über eine Million Menschen das Jungfraujoch. Die Bergbahnen sehnen sich danach zurück. Keystone

Das Ziel bleibe dasselbe wie vor der Pandemie, so Direktor Urs Kessler. «Die Jungfraubahnen verfolgen eine langfristige Strategie. Wir wollen unsere starke Stellung auf den internationalen Märkten festen und dazu gehört auch Asien.» Kessler rechnet damit, im Jahr 2023 fast wieder gleich viele Gäste wie vor der Pandemie zu begrüssen – etwa 80 Prozent des Aufkommens von 2019. Immerhin kurzfristig als Überbrückung wird auf Einheimische gesetzt: «Die Akzente fokussieren zurzeit aufgrund der Pandemie auf die Nahmärkte», heisst es bei Interlaken Tourismus.

Auch im Wallis sieht man keinen Grund für Anpassungen

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Im Wallis sieht die Tourismus-Organisation keinen Anlass für Veränderungen. Der Fokus liege bereits auf dem Individualtourismus, heisst es auf Anfrage. «Seit Jahren liegt die Priorität auf dem Schweizer Markt, gefolgt von Europa. Die Fernmärkte bearbeiten wir in dritter Priorität», so die Stellungnahme von Wallis Promotion.

Durch Corona habe man bereits viele neue Gäste aus der Schweiz und Europa begrüssen können. Zu viel, wie in Appenzell Innerrhoden beispielsweise, sind es im Wallis jedoch nicht. Denn: «Wir sind überzeugt, dass wir in Zukunft den Anteil dieser Gäste noch zusätzlich steigern können.»

Ob Interlaken oder Luzern: Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sich der Tourismus nach der Corona-Krise entwickeln wird. In Luzern hat die Stadtregierung zu beweisen, wie ernst es ihr mit der neuen Strategie ist. Folgen konkrete Massnahmen oder bleibt das Strategiepapier schlussendlich einfach Papier?

SRF 1, Regionaljournal Zentralschweiz, 27.02.2022, 17:30 Uhr ; 

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