Auf der Lenzerheide jagt auch im Sommer ein Notfall den anderen. Es ist Bike- und Wanderhochsaison. Das bedeutet für die Arztpraxis mitten im Dorf viel Arbeit. Neu können die Verletzten per Quad beim Hintereingang eingeliefert werden, wo sie direkt ins Notfallzimmer kommen.
SRF News: Wie haben sich die Bikerunfälle in den letzten Jahren entwickelt?
Michael Firz: Seit die Biketrails am Rothorn 2012 ausgebaut wurden, haben die Mountainbike-Unfälle exponentiell zugenommen. Natürlich haben wir hier oben auch viele Wanderinnen sowie Golfer. Unfälle können überall passieren.
Die Bikerinnen und Biker sind die sogenannt «dreckigen» Unfälle: Ihre Wunden sind schmutzig und wir müssen ihnen die Kieselsteine aus den Wunden picken. Oft ziehen sie sich mehrere Blessuren zu, wie etwa gebrochene Rippen, Schulterverletzungen oder Hirnerschütterungen.
Wie funktioniert Ihre Notfall-Annahme?
Vor einem Jahr sind wir in unsere neue Arztpraxis mitten im Dorf umgezogen. Notabene eine ehemalige Bank. Beim Umbau war es mir wichtig, dass wir zwei Notfallzimmer mit direktem Eingang anbieten können. So können die Sanitäterinnen und Sanitäter am Berg die verletzten Sportler nach der Erstversorgung gleich aufladen und samt Velo direkt vor die Schiebetüre fahren.
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Bild 1 von 3. Ein verletzter Biker wird mit dem Quad in den Notfall gefahren. Bildquelle: SRF /Livia Baettig.
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Bild 2 von 3. Die Notfallzimmer befinden sich beim Hintereingang, sodass die Wege nicht lang sind. Bildquelle: SRF /Livia Baettig.
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Bild 3 von 3. Der verletzte Biker wird untersucht: Er hat sich zwei Rippen gebrochen. Bildquelle: SRF / Livia Baettig.
Können Sie so den umliegenden Spitälern Arbeit abnehmen?
Ja, zusammen mit den drei anderen Arztpraxen in der Region ist das möglich. Die schlimmeren Verletzungen werden immer noch via Rega gleich nach Chur geflogen. Wir sind aber so aufgestellt, dass wir zum Beispiel mit Ultraschall, Röntgen und einem speziellen Gipsambulatorium rasch eine Diagnose stellen und die Patientinnen und Patienten meist ohne lange Wartezeit effizient behandeln können.
Was ist das Verrückteste, was Sie je erlebt haben?
Ich erinnere mich an einen Vater, der mit seinem Sohn auf einer Downhill Tour war. Der Sohn schätzte einen Sprung falsch ein und stürzte. Sein Vater mit der GoPro-Kamera am Helm sprang hinterher, fiel ebenfalls und landete direkt auf seinem Sprössling. Der Unfallfilm wurde uns quasi mitgeliefert. Die beiden verletzten sich mittelschwer.
Sie beschäftigen rund 30 Angestellte bei Ihnen in der Arztpraxis. Rentiert das?
Man muss schon rechnen und unternehmerisch denken. Da wir nebst den geplanten Patienten sehr viele Notfälle und Unfälle behandeln, braucht es diese Poliklinik-ähnliche Struktur. Wir sind eine Hausarztpraxis mit einem breiten Fachgebiet, von der Kindermedizin bis zur Physiotherapie. Unsere Wege sind kurz, das ist effizient.
Die Gesundheitskosten steigen frappant. Was tun Sie dagegen?
Mein Erfolgsmodell ist die Ultraschalldiagnostik. Das kommt viel günstiger als andere Methoden und ist dynamisch: Bei einem CT oder einem MRI liegen die Patientinnen und Patienten steif in der Röhre. Das ist nicht die Realität. Mit dem Ultraschall kann ich stehend, sitzend – in jeder Position untersuchen. Das ist der springende Punkt, nebst den Kosten.
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Bild 1 von 4. Bei einem Kletterunfall verletzte sich der junge Sportler den Daumen. Bildquelle: SRF / Livia Baettig.
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Bild 2 von 4. Kinder gehören zu den Lieblingspatienten von Michael Fierz. Bildquelle: SRF / Livia Baettig.
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Bild 3 von 4. Ultraschall, die grosse Spezialität in der Arztpraxis von Michael Fierz: Das Ärzteteam bei einem «Ultraschall-Teaching». Bildquelle: SRF / Livia Baettig.
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Bild 4 von 4. Ein weiterer Fall für die Ultraschalldiagnostik: Ein Gastronom aus der Region leidet an Schmerzen in der Hand. Bildquelle: SRF / Livia Baettig.
In welchem Alter ereignen sich die meisten Unfälle?
Ich würde sagen zwischen 40 und 50 Jahren. Der Klassiker ist der Mann auf einem Betriebsausflug beim Skifahren. Er ist etwas übergewichtig, eventuell leicht alkoholisiert, hat keine Koordination und übernimmt sich. Das gibt schwere Verletzungen, oft auch durch Kollisionen.
Was passiert in solchen Fällen?
Ich erinnere mich an einen Fall, da hatten zwei Männer die Beine gebrochen, lagen nebeneinander im Notfallzimmer und schimpften jeweils über den anderen. Eine Situation, die schon mehrmals vorgekommen ist.
Das Gespräch führte Livia Baettig.