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Vom Mittelmeer zur Nordsee Nationalrat fordert alternative Neat-Zubringerstrecke

Auch wegen Deutschland harzt es mit der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Die Politik sucht Alternativen.

Mit der Eröffnung des Ceneri-Tunnels ist das Jahrhundert-Bauwerk Neat praktisch vollendet. Damit sollen Güter auf der Bahn auf effiziente Weise von Genua bis Rotterdam transportiert werden können. Nur: In Deutschland hapert es mit dem Ausbau, so dass das Ziel erst in zwei Jahrzehnten realisiert sein wird.

So lange möchte der Nationalrat nicht warten. Er will den Bundesrat damit beauftragen, mit Frankreich und Belgien Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, eine zusätzliche Route via Frankreich zu erstellen.

Druck auf Deutschland...

Die Idee brachte Jon Pult ein, SP-Nationalrat und Präsident der Alpen-Initiative: «Wir wollen, dass die Schweiz Druck auf Deutschland macht.» Es müsse aber auch eine Alternativroute durch Frankreich und Belgien entwickelt werden, damit die Neat voll zur Geltung kommen könne.

Es gebe auf der Strecke Basel-Strassburg-Rotterdam bereits Zugslinien. Die könnten mit nicht allzu grossem Aufwand zu Hochleistungs-Güterzugsstrecken ausgebaut werden, als Alternative zur Strecke durch Deutschland.

...und eine Alternativroute

Das böte auch einen Umweg, falls es wie damals 2017 bei Rastatt zu einer Sperrung des Bahnverkehrs käme. Der Nationalrat ist dem Antrag mit grosser Mehrheit gefolgt. Das Anliegen habe auch im Ständerat gute Chancen, findet Josef Dittli, der für die FDP des Kantons Uri in der kleinen Kammer sitzt.

Es sei ernüchternd, dass die Schweiz ihre Vorleistungen erbracht habe, die nördlichen Nachbarn den Prozess aber verzögerten: «Es sind Bestrebungen aufzunehmen, damit der Prozess endlich beschleunigt wird.»

Schwierige Gespräche mit Frankreich

Der Bundesrat sei verärgert über den Verzug in Deutschland und bereit, Verhandlungen mit Frankreich und Belgien aufzunehmen, erklärte Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga.

Sie räumte aber ein, dass es vielleicht nicht ganz einfach sei, gerade Frankreich zu überzeugen: «Frankreich hat Strecken, die aus seiner Sicht grössere strategische Bedeutung haben.» Es gelte also, Frankreich zu überzeugen, dass die Strecke auch in seinem Interesse sei.

Man muss eine Dynamik auslösen, damit sich Frankreich und Deutschland quasi bekämpfen, wer die Trasse zuerst realisiert.
Autor: Marco Romano Nationalrat (CVP/TI)

Je nachdem werde sich die Schweiz finanziell am Ausbau der Strecken beteiligen müssen. Das hat sie bereits im Falle Italiens getan, trotzdem stösst das nicht nur auf Begeisterung bei den Parlamentsmitgliedern. Der Tessiner CVP-Nationalrat Marco Romano setzt auf Wettbewerb statt auf Geld: «Man muss eine Dynamik auslösen, damit sich Frankreich und Deutschland quasi bekämpfen, wer die Trasse zuerst realisiert.»

Droht eine weitere Verzögerung?

Skeptisch zeigte sich hingegen SVP-Nationalrat Thomas Hurter. Es sei Augenwischerei zu meinen, mit einer Alternativroute liesse sich das Nadelöhr im Norden schneller beseitigen. Als Schaffhauser habe er seine Erfahrungen mit Staatsverträgen gemacht, für den Ausbau der Gäubahn auf der Strecke Zürich-Stuttgart. Nach 26 Jahren warte er immer noch darauf.

Würde man den angedachten Weg beschreiten und mehr Druck auf Deutschland machen, seien die Erfolgschancen höher, glaubt Hurter: «Das wäre die schnellere Lösung. Wenn wir eine neue Route wählen, dauert das zwanzig bis dreissig Jahre.»

Druck auf Deutschland oder Staatsvertrag mit Frankreich und Belgien: Nach dem klaren Votum aus dem Parlament wird dem Bundesrat wohl nichts anderes übrig bleiben, als das eine zu tun und das andere nicht zu lassen, um die Verbindung via Neat vom Mittelmeer zur Nordsee zu verwirklichen.

Echo der Zeit, 10.03.2020, 18 Uhr

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